Freitag, 8. Februar 2013

Vom Ikarus DDR


„Kulturnation Deutschland?“ Der Titel des Büchleins hat es schon in sich, vor allem, weil der Autor Peter Michel nicht versucht, die tolle DDR zur vorbildlichen Kulturnation hochzuschreiben, sondern sich um Ausgewogenheit bemüht, Kunst als Menschheitswert an sich zu fassen, den es des Menschseins wegen zu pflegen gilt. Gerade deshalb gewinnen seine Vorwürfe eine über Politisches hinausreichende Relevanz.
Nun also zwei Seiten Überblick über drei Ausstellungen von in der DDR entstandener Kunst. Erstes Fazit: So etwas ist auch im nicht so richtig „vereinigten“ Deutschland bereits möglich. Man möge es direkt nachlesen: Kein Abschied von Ikarus

Aber noch immer lässt sich im neuen Deutschen Reich ein Umgang mit Kunst, die nicht die eigene ist, feststellen, die von denselben „Kultur-Politikern“ bei ehemaligen Staaten des „Realsozialismus“ mit Schimpfworten wie „Sozialistischer Realismus“ (wichtig: die Anführungsstriche), aber eben auch stalinistisch u.ä belegt worden wäre. Also Ideologie dort, wo auf DDR-Seite schon Kunst war. Also Qualität der künstlerischen Umsetzung das entscheidende Merkmal war.
Nun greift Michel das Motiv des Ikarus aus der Weimarer Ausstellung auf.
Er sagt es nicht direkt. Es steckt aber ein Gedanke in den Überlegungen: Was in den Ländern dieses frühen „Sozialismus“ geschehen war, war eine Art gesellschaftlicher Ikarus-Flug, zwar mit Absturz, aber nicht mit Tod am Ende.
Mit den Aspekten dieses künstlerischen Bildes haben sich Künstler logischerweise viel beschäftigt, nicht nur, aber auch im Vorgefühl des Ausgangs dieses ersten Abhebens.
Man sollte, wenn man sich mit dem Motiv befasst, etwas Wichtiges beachten:
Entstanden ist die Ikarus-Geschichte mit ihren möglichen Interpretationen in einer Zeit, in der sein Tun vermessen, übermütig, vor allem aber dem „gesunden Menschenverstand“ seiner Zeitgenossen widersprechend gesehen werden musste. Der Mensch kann nunmal nicht fliegen.
Inzwischen kann man dies aber nicht mehr so sagen. Ob wir in ein Flugzeug steigen, in Drachengleiter, die optisch an Ikarus erinnern, oder in Raketen, in denen die ganze Erde klein erscheint, … wir haben heute Grund zur Aussage „Der Mensch kann doch fliegen“.
Wenn also eine Kunstschau den Abschied von den DDR-Ikarussen zelebriert, so ist das ein bornierter Kulturpessimismus.
Der Mensch“ ist eben doch in der Lage zu einem Sozialismus / Kommunismus. Der sähe nur etwas anders aus, als man diese Menschen-Flug-Phase sich zu DDR-Zeiten ausgemalt hat.
Wir sollten wieder am Bau neuer Schwingen spielen ...

Dienstag, 5. Februar 2013

Gemeinschaft der Glückssüchtigen - Wie wir die Welt wollen - Das Buch


Ich halte den „Kommunismus“ oder wie immer man die damit beschriebenen Verhältnisse nennen mag, für die individualistischste, freieste, menschenwürdigste Form der Entfaltung menschlicher Persönlichkeiten. Das kann ich aus der kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen DDR-Teil-Biografie begründen, aus der Geschichte, aus der Logik natürlicher Zusammenhänge und aus dem Wissen, wo wir uns gerade hin entwickelt haben. Was ist „vernünftig“, wenn das Handeln aller Einzelsubjekte nicht mehr mit dem Prinzip erklärt werden muss „Das Hemd ist mir näher als die Hose“?
Warum sind heute Dinge praktisch möglich, von denen Marx oder Lenin nur grob erwarten konnten, dass sie einmal kommen müssten? Was sind das für Dinge?
„Gemeinschaft der Glückssüchtigen – Wie wir die Welt wollen“ spekuliert wenig, leitet nur logisch her, was sich bereits abzeichnet. Dabei müssen wir immer beachten, dass es keine technische Erfindung gibt, die nicht missbraucht wird, wenn die Verhältnisse diesen Missbrauch fördern ...

Sonntag, 3. Februar 2013

Warum bekommen wir eine "weiche Birne"?


Man könnte fragen, warum die Tageszeitung "junge Welt" ausgerechnet ein Buch über Depressionen rezensiert. Gut, dann könnte man genauso gut fragen, warum sie es nicht rezensieren sollte. Sie richtet sich ja an Menschen, die allseitig gebildet sind oder zumindest werden wollen.
Die Antwort liegt genau darin: In dem besprochenen kulturpessimistischen Buch werden offenbar genau jene "unpolitischen" Mechanismen beschrieben, vermittels derer die verblödeten Menschen-Reserven "produziert" werden, die entweder gehorsam arbeiten bis zum Zusammenbruch oder aber sinnlos rumhängen als Beweis der "bildungsfernen Schichten". Die nicht an Wahlen teilnehmen, weil sie nichts mit dem Wahlzettel anfangen können (man müsste ihnen den vorlesen) oder ein Kreuz bei der Partei machen, an die sie sich aus der letzten Sendung oder dem letzten Bier noch erinnern.
Wir werden mehrere Generationen brauchen, um in der Breite Menschen sich entwickeln zu lassen, dieaus eigener Kraft die Welt verstehen und gestalten können. Allseitig gebildete (und deshalb "sozialistische") Persönlichkeiten. 
Interessant auch: Der Autor der Rezension wirft dem Autor des Buches einseitige Überspitzungen vor. In gewisser Weise sagt er damit nur: Auch der "Kulturpessimist" Spitzer ist natürlich ein "Kind" unserer "kapitlistischen Kultur", die zu erkennen er nicht vermag. Der Drang, jeweils das eigene Produkt verkaufen zu müssen, zwingt jeden Anbieter dazu, den potentiellen Kunden am Abwägen von Vorteilen und Nachteilen zu hindern. Also verweist jeder Produzent auf das Gute ... und Spitzer betont das Negative ...


Weiche Birnen

Apps bis der Arzt kommt: Die Informationsgesellschaft frißt ihre Kinder. Berliner Depressionsgespräche zeichnen eine düstere Perspektive

Von Peter Steiniger
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Manfred Spitzer: Digitale Demenz – Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen. ­Droemer Knaur Verlag, München 2012, 368 Seiten, 19,99 Euro