Dienstag, 21. Juni 2011

Mein ganz individueller Kommunismus (79)

Schwieriger ist es mit den gesellschaftlich beeinflussten Bedürfnissen. Dort wirken Mechanismen, die wir uns heute schwer wegdenken können. Der wichtigste dabei ist der „Neid“. Ich würde es für den heute entscheidendsten Antrieb nach dem Elementaren ansehen, dass „man“ sich sagt, dass ein Anderer etwas hat, was „man“ auch haben möchte.
Dieser „Neid“ lässt sich in Marxscher Weise auseinandernehmen: Zuerst kommt das materielle Vorhandensein eines begehrbaren Gutes. Also das Begehren nach (kernlosen) Apfelsinen erwächst hauptsächlich aus dem Wissen, dass es welche gibt (und fällt an dem Moment auf, wo die Kerne gerade auffallen). Zum Wesen klassenorientierter Marktwirtschaften gehört aber das bewusste Wecken solchen Begehrens. Der, der über ein beliebiges Gut verfügt, will unabhängig von allem Anderen (und sei es die Zerstörung der Gesundheit der Käufer), dass genau sein Gut Anerkennung als Ware findet, also dass er es verkaufen kann. Deshalb drängt er es potentiellen Kunden auf verschiedene Weise auf – einschließlich der Suggestion, mit seinem Gut erwerbe man ein „Lebensgefühl“ o.ä. Als Positives Hingestelltes. Durch die gesellschaftlichen Verhältnisse unterliegt jeder Mensch (in jeder Gesellschaft) einem andauernden Anpassungsdruck. (Besonders drastisch ist dieser Druck übrigens bei Jugendlichen, die nicht nur am manipulationsanfälligsten sind, sondern durch besonders enge Zugehörigkeit zu Norm bildenden Gruppen direkter Erfolgskontrolle unterliegen. „Man“ weiß da eben, welches Handy wer NICHT hat …)
Nun wächst Neid zuerst einmal aus dem Wissen um tatsächliche Ungleichheit. Die erste Folge der Ausbeutungsverhältnisse im Feudalismus war eben keine Revolutionsbewegung, sondern der allgemeine Wunsch, auch zu DENEN zu gehören. Wunderschön wird dies durch die überkommenden Märchen abgebildet: Das Ideal heißt Prinzessin, Prinz, (guter) König. Aber erscheint es nicht einleuchtend, dass die Zahl derer, die es für erstrebenswert halten, eine Prinzessin zu sein, nachlässt, sofern es a) keine Prinzessinnen gibt, b) keine Hochglanzpostillen höfische Welten als erstrebenswert unter die Massen verstreuen, c) keine wesentlichen Gruppen ein unerfülltes Sehnen nach einem unerfüllten „besseren“ Leben real haben müssen und d) es alternative Ideale gibt?
Selbst der Charakter der Mode ist ja von Markt-Bedürfnissen“ bestimmt: Damit möglichst viel verkauft wird, muss man dem Kleidungsstück ansehen, aus welchem Jahr es stammt, damit möglichst viele schnell das jeweils Neueste kaufen, um nicht als „unmodern“ erwischt zu werden. Wenn eben in einem Jahr „der Minirock“ aufkommt (Beispiel kann beliebig ersetzt werden), dann wird auch das Mädchen mit Elefantenbeinen gedrängt, sie anzuziehen. Ich behaupte nicht, das dies im Kommunismus verschwinden wird. Es wird aber zurückgedrängt durch die (mehr oder weniger dezente) Betonung der speziellen Individualität der Einzelnen. Die Zahl derer, die selbst kreieren, wovon sie meinen, dass etwas zu ihnen passt, wird drastisch zunehmen. Die eigenen Ideen, solch eigene Kreationen auch umzusetzen, ebenfalls. Sie sich planbar zu beschaffen ermöglicht das Medium Internet genauso wie die Schaffung einer eigenen „Modegemeinde“ - die dann eine eigene Produktions- und Vertriebskette organisiert. (Das kostet ja nichts außer Ideen ...)

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