Freitag, 4. Oktober 2013

Materialismus

"Es gibt keine unerklärlichen Phänomene. Es gibt aber welche, deren Erklärung wir noch nicht erkannt haben und solche, bei denen es uns zu kompliziert erscheint, sie anderen erklären zu können."

Montag, 2. September 2013

"Briefe" zu "Gemeinschaft der Glückssüchtigen" ...

Wozu schreibt man Texte gegen die Welt, wie sie heute ist?
Am entschiedensten, weil man überzeugt ist, dass die nicht nur schlecht gestaltet ist, sondern auch, weil man sicher ist, dass sie nicht so sein müsste. Es gäbe Alternativen. Diese Alternativen sind nicht irgendwelche utopischen Kopfgeburten, sondern für deren Funktionieren haben sich heutzutage längst die notwendigen materiellen Wurzeln herausgebildet. Wirtschaftlich, vor allem aber technisch ist alles da, was nötig wäre, um sich vom Zwang zu auf Geld („Kapital“) fixiertem Arbeiten zu befreien. All jene alternativlos erscheinenden logischen Ketten verbliener Marktwirtschaftnerds könnten durch neue ersetzt werden. Die, die das tun müssten, aber lecken immer noch die Wunden eines furchtbaren geschichtlichen Untergangs eines technisch verfrühten Versuchs.
„Wir“ - und das meint viele, die sich eigentlich linkem Ideengut nahe fühlen - lassen uns noch immer von der gegnerischen Logik blenden, dass ja der „Sozialismus“ untergegangen sei. In seine Richtung zu blicken, sei deshalb müßig.
Es ist ja so mühsam, sich selbst einzugestehen, dass die Vielen, die seinerzeit „den“ Sozialismus aufbauen wollten, etwas damals noch Unmögliches begonnen hatten. Dass erst einige notwendige Grundlagen geschaffen werden konnten, die für sich allein genommen in der Konfrontation mit einem kapitalistischen Weltwirtschaftssystem die tatsächlichen Vorzüge einer alternativen Wirtschaftsform nicht, nur in Ansätzen oder teilweise sogar nur in pervertierter Verballhornung entfalten konnten.
Heute wären die technischen Mittel sofort greifbar, sie werden nun aber – wenn sie überhaupt bemerkt werden – vom wieder durchgesetzten Machtapparat des Gestrigen pervertiert.
Es ist also aktive Auseinandersetzung mit dem nötig, was heute ginge – und zwar wie und warum. Kommunismus ist ja nur eine historische Bezeichnung, ein Wort, das mit realem Leben zu erfüllen ist.. Von alten Vorstellungen, wie diese Form des Zusammenlebens funktionieren kann, werden wir uns teilweise radikal trennen müssen. Individuelle Freiheit wird einen wesentlich konkreteren Hauptanteil an unserem Kommunismusbild ausmachen müssen. Mitgestaltung aller Lebensbereiche durch jeden, der sich für seine Angelegenheiten interessiert, wird greifbarer vorstellbar anstelle sie nur abstrakt zu proklamieren.
Die aktuelle Diskussionen in solche optimistischen Richtungen zu lenken, sie mit Gedanken anzureichern, verkrustete Denkstrukturen zu durchbrechen, das ist erklärtes Ziel des Buchs „Gemeinschaft der Glückssüchtigen“ von Slov ant Gali. Vorsätzlich wird dabei auf die Trockenheit eines gesellschaftswissenschaftlichen Sachbuchs verzichtet und dafür die besondere persönliche Möglichkeit des Autors eingebracht: utopische Belletristik und Lyrik zu schreiben und neben den Einmarsch-Erfahrungen der kapitalistischen Ordnungsmacht auch Erfahrungen aus dem gewöhnlichen Leben im realen DDR-Alltag verschiedenster Arbeits- und Lebensbereiche gesammelt zu haben.
Im Buch wird klar, dass das Leben im Kommunismus extrem bunt sein muss, Erfahrungen aus einem Bereich nur bedingt auf einen anderen Bereich übertragbar sind. Trotzdem bietet der Autor einen etwas vereinfachenden Musterfall an: Die Befriedigung des Bedürfnisses nach Musik-Hörgenuss. Hier liegt heute besonders auf der Hand, dass die reale Praxis unserer Verhältnisse – nämlich die Befriedigung unserer Bedürfnisse über die Warenform - hinterwäldlerisch und uns allen zum Schaden gereichend gestaltet ist.
Das Buch berücksichtigt, dass bestimmte Denkweisen, konkret die dialektische, recht erfolgreich aberzogen worden sind. Sie aber sind für das Verständnis erforderlich. So, wie alles, was ist, das Entwicklungsergebnis der Geschichte ist, so kann man das, was werden kann, aus dem Wissen herleiten, was ist und unter welchen Bedingungen es sich entwickelt hat. Allerdings wird Vernunft angemahnt an Stelle eines oberflächlichen „gesunden Menschenverstandes“, damit wir nicht ungewollt einen „Kachelofen“ betreiben, aus dem tötliches Kohlenmonoxid strömt.
Eine andere Welt ist machbar – welche das sein kann, dafür findet man in der „Gemeinschaft der Glückssüchtigen“ viele Anregungen.
Ach ja … Eine besondere Danksagung an den Bundespredig … pardon: ...präsidenten Gauck. Seine Anregung, sich Gedanken über das elementare Streben aller Menschen nach Leben in Glück und Zufriedenheit zu machen, wurde gern aufgenommen ...


Wann ist eine Gesellschaftsordnung reif, durch eine höhere ersetzt zu werden?
Die materialistische Geschichtsauffassung sucht die Antwort in der materiellen Grundlage der Gesellschaft, also im Entwicklungsstand der Produktivkräfte. Wenn die vorhandenen Produktionsverhältnisse zu Fesseln der Produktivkräfte geworden sind anstatt sie zu zu entwickeln, müssen neue her. Im Grundsatz klar, doch stellt sich die Frage, wann dieser Augenblick erreicht ist. Ganz von der Hand zu weisen wäre die Marxsche Überlegung ja nicht, dass Überproduktionskrisen ein solches Fesselverhältnis darstellten: Wenn eine Gesellschaft es zulässt, dass Waren hergestellt werden, bei denen im Nachhinein festgestellt wird, dass sie vernichtet werden „müssen“, weil sie keinen „Wert“ haben, also gar keine Waren sind, dann hat das System zweifelsfrei einen grundlegenden Defekt.
Trotzdem reichte dieser Defekt erwiesenermaßen nicht aus. Inzwischen existiert die kapitalistische Produktionsweise über 150 Jahre, ohne an ihren Krisen zugrunde gegangen zu sein. Wir ahnen den Hauptgrund: Es müssen innerhalb der Produktivkräfte auch neue „Konstruktivkräfte“ entwickelt sein, die einen solchen Grunddefekt nicht nur relativ kompensieren, sondern ein grundsätzlich besseres Wirtschaften ermöglichen. Das Buch „Gemeinschaft der Glückssüchtigen“ von Slov ant Gali versucht auf allgemein verständliche Weise herzuleiten, warum sich die erst nach dem Untergang des frühsozialistischen Wirtschaftsraums herausbildeten, ergo den damaligen Ansätzen zur Gestaltung eines Sozialismus nicht zur Verfügung standen, heute aber existieren und in krassem Widerspruch zum destruktiven Gesellschaftsüberbau stehen.
Ausgangspunkt der Überlegungen sind Bedürfnisse, die befriedigt werden sollen, und die Art der Tätigkeit, die dazu erforderlich ist. Dabei wird davon ausgegangen, dass urgesellschaftlich eine relative Identität vorlag: Wer immer etwas im weitesten Sinne „herstellte“, wusste um den Nutzen des „Produktes“ im Allgemeinen – eingeschlossen einen für sich selbst.
Die folgenden Klassengesellschaft bedurften einer wachsenden abstrakten Verselbständigung solchen Nutzens. Geld als potentiell beliebige Bedürfnisbefriedigung, Kapital als durch den Produktionsprozess im weitesten Sinn vermittelte Vermehrung seiner selbst.
Erst schleichend, im Kapitalismus schließlich extrem beschleunigt, entstand dabei vergegenständlichte Arbeit, deren Anteil an der eigentlich letztlich anzustrebenden unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung entsprechend stieg. Inzwischen ist dieser Anteil weltwirtschaftlich bereits der überwiegende.
In „Gemeinschaft der Glückssüchtigen“ wird der absolute, der „ideale“ kommunistische Hochpunkt der Relationen als Extrembeispiel herangezogen, der Fall nämlich, dass vor der endgültigen Bedürfnisbefriedigung keine fremde Arbeit mehr steht:
Als Ziel angenommen wird immer, dass jemand Musik hören will, der Hörgenuss das befriedigte Bedürfnis bedeutet. In der Urphase ging dies nur durch die unmittelbare „Produktion“ der Musiker, die also auch direkt ihre „glücklichen“ Hörer erlebten.
In der marktvermittelten Phase wird das Produkt „Musik“ vergegenständlicht. Ob als Schallplatte, Diskette oder einen anderen „Tonträger“ ist belanglos. Entscheidend war, dass dieser materielle Träger erarbeitet und bis zum potentiellen Hörer „vermarktet“ werden musste. Ohne eine zu handelnde Sache letztendlich keine Bedürfnisbefriedigung. (Die Vermittlung über Radio u.ä. sei hier außer Acht gelassen. Der Einfluss des konkreten Hörers auf das erwünschte Musikstück hält sich auch in engen Grenzen. Der Besuch eines Konzertes wiederum befriedigt mehrere Bedürfnisse nebeneinander.).
Heute ist technisch das kommunistische Niveau erreicht: Durch die inzwischen beherrschbaren gigantischen Datenspeichermengen und das Internet, dass prinzipiell jedem Nutzer seinen individuellen Zugangsumfang erlaubt, bedarf es keiner „Ware“ mehr, die sinnvoll gehandelt werden muss. Der Nutzer führt die wenigen Tätigkeiten selbst aus, die ihm sein Bedürfnis erfüllen. Er führt die erforderlichen Downloads durch. Downloadsperren, Kopierschutzmechanismen u. ä. Mittel, die aus der heruntergeladenen Musikstück bzw. dem nutzbaren Programm wieder eine Warenform generieren, haben mit dem eigentlichen Bedürfnis nichts mehr zu tun. Im Gegenteil: Sie stehen der technisch möglichen unbeschränkten Nutzung entgegen.
In jedem Fall von geistigem Eigentum, einem geistigen Anteil an einer Produktion, einem „Programm“, einer „Lizenz“ usw. verhält es sich ähnlich. Einmal auf der Welt existent, „hochgeladen“, veröffentlicht usw. könnten diese Arbeitsergebnisse weltweit uneingeschränkt mittels Digitalisierung und Internet so oft von den Nutzern „heruntergeladen“ werden wie gewünscht. (Nach heutigem Wissen wird man im Unterschied dazu auch im Kommunismus jeden konkreten Apfel nur einmal essen können, muss also jeden neu erzeugen und mit dem Apfelesser zusammenbringen. Besonderheiten kommunistischen Wirtschaftens in einem solchen Fall werden in „Gemeinschaft der Glückssüchtigen“ aber auch zur Diskussion gestellt.) Der Apparat an unterschiedlichen Mitteln, die freie Nutzung vorhandenen „Weltwissens“ zu verhindern, hat inzwischen astronomische Ausmaße erreicht und dürfte in seinem Schaden für die Weltentwicklung bereits die Schäden offener Kriegshandlungen überholt haben. Diese Destruktivkraft antikommunistischen Wirtschaftens wird aber in der Linken nur in Nischenbereichen skandalisiert (Lizenzen auf Tiere, Lebensmittel. Generika-Probleme u.ä.).
Die Verantwortung der Linken liegt im allseitigen Nachweis der Überholtheit all dessen, was wir heute „Kapitalismus“ nennen und der Anregung von Diskussionen, wie ein grundsätzlich anderes Wirtschaften „danach“ funktionieren kann. „Gemeinschaft der Glückssüchtigen“ liefert dazu Denkanstöße“.


Samstag, 31. August 2013

Zur Frage von Offensive und Hegemonie (1 - der internationale Rahmen)

Wem gehört die Zukunft?
Pessimisten finden genug Argumente, um mit „... eine Mischung von NSA und NSU“ zu antworten. Ihnen stellt sich die Frage nach Kapitalismus oder nicht überhaupt nicht, nur die, welcher es denn sein könnte. Vielleicht noch die, ob die kommenden Kriege weit genug von Deutschland entfernt geführt werden und ohne Atomwaffen.
Alle Vergleiche hinken. Doch an die Zeit vor dem 1. Weltkrieg zu erinnern, vereinfacht das Verständnis der Gegenwart. Bestimmte Dinge nähern sich wieder an:
Da sind alle die Erscheinungen, die schließlich Lenin unter dem Begriff „Imperialismus“ zusammenfasste. Einziger großer Unterschied: Während vor 100 Jahren die Kolonialherrschaft äußerlich in direkt kontrollierten Kolonialreichen offen sichtbar war, ist die Unterdrückung fremder Nationen heute subtiler, funktioniert sie hauptsächlich als verwirklichte wirtschaftliche Unterordnung der abhängigen Länder. Im erwünschten „Normalfall“ also als „freiwillige“ Selbstunterwerfung. In den letzten Jahren sind allerdings immer mehr militärische Unterwerfungsunternehmungen dazugekommen.
Wichtig für Nutzer des dialektischen und historischen Materialismus ist dabei, dass ein inneres Grundgesetz des Imperialismus weiter wirkt, nämlich das der unterschiedlich schnellen Entwicklung, auf dem letztlich die besondere Aggressivität des Systems beruht. Führt schon der innere Zwang zum Erwirtschaften von Profit dazu, dass der Kapitalismus als Ganzes ein beständiger Nährboden für unterschiedlich intensive Kriege ist, so wird dies natürlich verstärkt, je mehr die Möglichkeit nach Ausdehnung in noch unerschlossene Profitquellenbereiche abgelöst wird durch die Realität, dass überall andere „schon da sind“. Dieses Problem ist heute sogar noch schmerzhafter als vor 100 Jahren. Die aktiven Kapitalgruppen stehen nicht nur vor dem Problem, dass die Rohstoffe zur Erweiterung ihrer Wirtschaftsmacht nicht schnell genug ausreichend verfügbar sind, sondern sie müssen immer häufiger mit der Möglichkeit rechnen, dass die absolut verfügbare Menge dieser Rohstoffe überhaupt schrumpfen könnte.
Der Tod der Sowjetunion ließ eine monopolare Welt zurück. Die Vereinigten Staaten von Amerika blieben als unangefochtene Weltführungsmacht in jeder Beziehung zurück. Der unterschiedlich große Vorsprung auf allen Bereichen wurde durch das astronomische Übergewicht auf militärischem Gebiet – immerhin Militärausgaben, die die nominalen der gesamten restlichen Welt überstiegen – gestützt. Langfristig wirken aber auch im Kapitalismus ungewöhnlich hohe Rüstungskosten entwicklungshemmend, wenn sie sich nicht mit der Erweiterung der eigenen Einflusszonen kompensieren lassen.
An die eine Weltführungsmacht dockten einige Sekundärführungsmächte an. Am erschreckendsten dabei zeigte sich Deutschland, wo durch das Schwinden der früheren besonders nah greifbaren Systemalternative, also der Notwendigkeit, prinzipiell die Ausbeutungsverhältnisse zu erhalten anstatt sie ungehemmt zu verschärfen, der Drang zur Ausbeutungsverschärfung besonders unmittelbar Bahn brach. Nun rächte sich, dass die Massen über kaum kampferprobte Organisation zur Durchsetzung eigener Interessen verfügten, weil das Kapital zuvor eher zu Almosenkompromissen bereit gewesen war als in grenzferneren kapitalistischen Staaten. Ohne massiven Widerstand konnte die Ausbeutungsintensität in Deutschland wesentlich erhöht werden. Nenne man die Staatengruppe, die im Windschatten der Supermacht wirtschaftliche Leckerlis von deren Cheftisch abzugreifen versucht, „Vasallenstaaten“.

Es ist nicht nur China, das zum einen mit eigenen Emanzipationsbestrebungen, zum anderen aber mit bedrohlichen Wachstumsraten die Nach-Ostblock-Wirtschafts-Monopolordnung in Frage stellt, das zum Feind wird.. Auch das technologisch zurückgefallene Russland ist dank des Bestrebens, sein Rohstoffreservoir zum eigenen Nutzen zu gebrauchen, aber auch seiner erhaltenen militärischen Potenzen wegen als Bedrohung dieser Ordnung anzusehen.
Die aufstrebenden Mächte benehmen sich – unabhängig von ihrer erklärten gesellschaftspolitischen Zielstellung – in kapitalistischer Logik. Das heißt, mit ihrem sich ausdehnenden inneren Potential versuchen sie auch eine weltpolitische Ausdehnung. In erster Linie erfolgt dies gerade seitens des bedeutendsten, des chinesischen, Kapitals still und wenig aufdringlich. Teilweise auf die Stärkung der neuen Partner orientiert. Allerdings ist der Grad solidarischen Verhaltens aus amerikanischer Sicht unerheblich. Für die Subjekte der monopolaren Welt zählt nur, dass Regionen, die sie als Quasikolonien betrachteten, Einflussgebiete, Rohstoffreserven usw. sich eben z. B. China zuwenden.
Gerade in Afrika liegen mehrere Stellvertreterkriege hinter uns, durch die der ökonomisch wachsende Einfluss Chinas militärisch niedergeworfen wurde. Ein weiteres Voranschreiten Chinas zur Weltmacht NEBEN bis vor den USA kann dies letztlich aber nur verzögern. Die meisten seriösen Prognosen gehen mittelfristig von einer Verschiebung der Anteile an der Weltwirtschaftskraft zu Ungunsten der USA und zugunsten Chinas sowie anderer sich emanzipierender Nicht-Vasallenstaaten aus.
Bisher hat noch kein „Imperium“ einem derart absehbaren Niedergang tatenlos zugesehen.
Nun war die Logik des 1. Weltkriegs einfacher: Deutschland war die dynamischere imperialistische Nation, die praktisch auf die älteren Kolonialmächte stieß, die „schon da waren“. Also besonderes Interesse an der Änderung der Verhältnisse. Also Krieg.
Diesmal muss man erst einmal die Bedeutung neokolonialer ökonomischer Einflussgebiete berücksichtigen. Bisher ohne Krieg wächst dort weltweit der chinesische Einfluss. Noch stehen aber den USA samt Vasallen ihre überlegene Militärmacht zur Verfügung. Mit der weiteren Verschiebung der allgemeinen Wirtschaftsmacht wird sich aber auch das militärische Kräfteverhältnis verschieben. Bei niedrigem Ausgangsniveau sind die Steigerungsraten der chinesischen Militärausgaben heute schon enorm. Nach imperialistischer Logik muss China bald bereit sein, seine Wirtschaftshilfe für einen dann aktuellen „Sudan“ weltweit militärisch zu schützen – von sich selbst ganz abzusehen. Ideologiefrei betrachtet erhöhen ähnlich starke Blöcke den Spielraum von Kleinen zwischen ihnen, was per Saldo letztlich wieder genauso zulasten der alten Kolonialallianz ginge.
Sofern es also nicht gelingt, die Entfaltung einer Weltmacht China nachhaltig zu verhindern, erscheint es als auf imperialistischem Denkhorizont als logisch vernünftig, lieber früher als später militärisch zuzuschlagen, da jedes Jahr des Zögerns das Kräfteverhältnis verschlechtert, demzufolge die eigenen Siegchancen.
Womit wir wieder bei Ähnlichkeiten zur Situation vor dem 1. Weltkrieg sind. Denn natürlich versucht man vor dem großen Rumms, dem großen Gegner möglichst viele kleine Partner zu nehmen. Und es ist ja nicht nur der „Bürgerkrieg“ im jeweiligen afrikanischen /arabischen Land, in dessen Ergebnis die chinesischen Investitionen in den Sand gesetzt sind, es ist eben auch die potentielle Drohung für jeden noch-nicht-Geschäftspartner, dass er platt gemacht wird, lässt er sich mit den Chinesen ein – wodurch chinesisches Kapital zu Risikokapital wird. Aus geografischen Gegebenheiten heraus sind demzufolge China und Russland „natürliche Verbündete“. Trotz vieler historischer Animositäten könnten sie die amerikanischen Umkreisungsaktivitäten zusammendrücken. (Man bedenke, dass Kaiser Wilhelm ursprünglich auch andere Bündniskonstellationen vorgezogen hätte.)
Der wesentliche Unterschied mit der Vorphase des 1. Weltkriegs ist allerdings, dass die Beteiligten heute wechselseitig voneinander wissen, dass sie über die „Wunderwaffen“ verfügen, die in den beiden Weltkriegen noch herbei halluzinierte Propaganda waren. Egal, zu wessen Seite sich das Kriegsblatt wenden sollte, mit dem tatsächlichen Einsatz von Massenvernichtungswaffen muss jede Seite rechnen. Für die USA bedeutet dies besonders, dass eine Gemeinsamkeit aller ihrer Kriege nach dem Völkermord an den Indianervölkern nicht mehr zuträfe: Ein offener neuer Weltkrieg verschonte das eigene Land nicht mehr.
Inzwischen haben wir uns in Deutschland daran gewöhnt, dass sich in irgendeiner fernen Türkei irgendwelche Andersgläubige oder so gegenseitig die Köpfe einschlagen. „Wir“ sind natürlich dagegen, haben „nur“ die Verantwortung, dass es nicht noch schlimmer wird. Die Möglichkeit, dass aus einem der vielen „Stellvertreterkriege“ einer werden könnte, bei dem wir mittendrin und nachher nicht mehr sein könnten, zieht wohl kaum ein Deutscher ernsthaft in Betracht. Dabei ist schon der Wind, der radioaktive Fallout-Wolken nach Wetterlaune vor sich her treiben könnte, absolut unpolitisch. Der könnte in seiner Ignoranz durchaus Paris mit Wuppertal verwechseln.
Leider gibt es noch mehrere Unterschiede zu unseren Ungunsten zur Zeit vor über 100 Jahren.
Damals rang die aufstrebende deutsche Sozialdemokratie noch um die Frage, ob sie nicht vielleicht sogar konsequent radikal revolutionär sein sollte. Da war in diesen Kreisen der einfache Gedanke noch gängig, dass man am einfachsten denen, die am Krieg verdienen, den Besitz wegnähme und schon fiele der drohende Krieg aus. Allerdings verschoben sich die Kräfteverhältnisse innerhalb dieser Partei fast unmerklich, aber doch schnell zugunsten von Kleingarten- und Bausparsozialisten. Da waren plötzlich die französischen Kapitalisten viel schlimmer, deren Worte verstand man nämlich nicht … egal ob sie mit französischen oder mit Kruppkanonen schießen sollten.
Womit sich dann doch wieder alles ähnelt: bei einem zugleich zahlenmäßig großen, gut organisiertem und auch noch Zusammenhänge verstehenden Widerstand sah es traurig mau aus … und man machte sich so viel vor, wie gut man doch sei.

Diejenigen, die zu dem Schluss kamen, dass man erst einmal wissen müsste, wohin man letztlich wollte, und wenn man das wüsste, darüber nachdenkt, wie man dorthin kommt, fanden sich erst dann zusammen, als eigentlich der Zug schon abgefahren und alle kommunistischen Messen mit Noske-Schuss-Glocken verklungen waren. Die deutsche Arbeiterklasse hatte ihren Anteil an der Gestaltung der Weltzukunft mit bestem Ungeschick vermasselt … und überzeugende Anzeichen, dass sich Fortschrittskräfte in unserem Land als lernfähig aus der Geschichte erweisen könnten, kann man auch heute mit der Lupe suchen.

Donnerstag, 23. Mai 2013

Marxismus modern?! (9 = Schluss)


In einer Welt des Mangels ist ein Mechanismus erforderlich, der die Konzentration von Kräften zur Entwicklung der Art ermöglicht. Innerhalb eines überschaubaren geschlossenen Systems können die einzelnen bewusst auswählen, isch entscheiden, wer was bekommen soll. Diese „Auswahlfunktion“ übernimmt in einer von Kapital beherrschten anonymen Wirtschaft der „Marktmechanismus“. Dessen positive Wirkung schrumpft bereits von dem Augenblick an, von dem an sich die Anonymität wieder auflöst. Das vollzieht sich politisch durch Überwachungsmechanismen des Staates, aber auch ökonomisch z. B. Durch die Verfügungsgewalt von wachsenden Datenmengen in Banken u.ä. Wirtschaftsriesen. Allerdings ist erst das Internet die technische Grundlage dafür, prinzipiell jeden gewünschten Bekanntheitsgrad der Bedürfnisträger zu allen potentiellen Mitteln der Bedürfnisbefriedigung tatsächlich herzustellen.
Unter den Bedingungen des Privateigentums an Produktionsmitteln verkehrt sich jedoch diese positive Potenz zum einen in ihr Gegenteil, zum anderen arbeiten die Marktkonkurrenten an ihrer Beschränkung. Nicht das mögliche allgemeine Kundtun von Bedürfnissen der Bedürfnisträger ist die entscheidende Entwicklungstriebkraft, sondern das privaten Abschöpfen privatisierten Kenntnisvorsprungs über Absatzchancen einzelner Firmen und Agierender.
Das perverse Ergebnis: Dem normalen Bürger müssen Datenschützer zur Seite stehen, damit mit ihren Daten kein Missbrauch getrieben wird.
Zugegebenermaßen hat die Überwachungspraxis der bisherigen Staaten mit erklärter sozialistischer Zielstellung das Wünschenswerte einer offenen Gesellschaft stark in Frage gestellt.
Im Sinne der Vernunft wären aber die Offenheit von Bedürfnissen aller Menschen und die direkte Befriedigung dieser Bedürfnisse bereits technische Voraussetzungen für eine Welt des Kommunismus. Einen ausreichenden Vorlauf bei der Erstellung von Programmen und Teilprogrammen könnte die Übergangsleistung des Sozialismus sein. In diesem Sozialismus könnten die erzielbaren Einsparungen bereits der überwiegenden Masse der Bevölkerung zugute kommen.
Ein Gedanke hat noch Tröstliches: Zwischen der technischen Machbarkeit des fortschrittlichen Kapitalismus und seiner tatsächlichen vollen Entfaltung lagen unterschiedliche, aber weltweit eben doch lange Zeiträume. Unsere Aufgabe muss es im Moment sein, zu zeigen, um wie viel weiter wir heute sein könnten, wenn wir unter den fortschrittlichsten Produktionsverhältnissen wirtschaften würden, vor allem, wie viele verschwendete Ressourcen der Erde wir uns für eine spätere Nutzung erhielten. Da wir wahrscheinlich die früheste Weggabelung zu einer „nachhaltigen“ Zukunftswirtschaft bereits verpasst haben, könnte es sein, dass die nächste erst aus dem nächsten relativen Totalzusammenbruch der vorhandenen Weltwirtschaft erwächst. Bis dahin wird kreatives Menschheitspotential für Spionagesatteliten und moderne Kriegsführung verpulvert ...

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Mittwoch, 22. Mai 2013

Marxismus modern?! (8)


Eine solche Form der gesellschaftlichen Entfremdung war nach einer antiken Zwischenphase aber erst etwa ab der Zeit die vorherrschende, die die Liebhaber des Kapitalismus die „Neuzeit“ nennen, als etwa (in Europa) 500 Jahre. In der Blüte des Feudalismus / des „Mittelalters“ war der wirtschaftliche Schwerpunkt des Wirtschaftens der jeweilige Gebrauchswert. Die Produzenten kannten die Konsumenten und umgekehrt. Dies stand der Entfaltung von „Waren“ im eigentlichen Sinn entgegen: Der „ausbeutende“ Feudalherr nahm sich von den ihm Untergebenen die Dinge, die er brauchte, direkt bzw. ließ sie sich fertigen. Die Zünfte bewerteten den Umfang der bekannten und erforderlichen Absatzmöglichkeiten für die sinnvolle Zahl der Meisterbetriebe. Also selbst dort, wo die Naturalwirtschaft bereits durch einen bedingt offenen Markt abgelöst worden war, waren die abstrakten Warenelemente noch immer sekundär. Erst als die Produktion an einer Stelle Produktmassen ausspucken konnte, deren Nutzung als Gebrauchswert sich überwiegend bis ausschließlich dem Einfluss der Produzenten entzog, setzte sich die abstrakte Ware Geld überall durch.
Das Niveau der Produktivkräfte hat für eine wachsende Zahl an Güter inzwischen ein Niveau erreicht, dass die Beziehung zwischen konkreter, Gebrauchswerte schaffender Arbeit und den diese Gebrauchswerte Nutzenden wieder dialektisch neu herstellt: Indem die „Hauptleistung“ die allgemeine Zugängigkeit der Endfertigungsmöglichkeit für den „Endnutzer“ ist, definiert sich die Zielgruppe für den (als Beispiel) „Musikproduzenten“ als „ALLE, die diese Musik hören wollen“. Mit dem Akt des Downloads endet erst die Produktion an dem Ort, an dem ein Bedürfnis zu befriedigen ist.
Ich nehme an, dass urgesellschaftliches „Tauschen“ die Zwischenkategorie „Menge der vergegenständlichten Arbeit nicht brauchte, dass also A nicht fragte, in welchem Aufwand die Arbeitsaufwände zueinander ständen, wenn er von B bekommen konnte, was er gerade benötigte. Dies ändert sich natürlich in dem Moment, in dem von einem äußeren Markt ein „bewertetes“ Gut zur Auswahl steht.  ...


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Dienstag, 21. Mai 2013

Marxismus modern?! (7)


Mit diesen Potenzen löst sich übrigens scheinbar nebenher ein dialektisches Problem, dass Karl Marx bei der Konzeption zu seinem Hauptwerk „Das Kapital“ (hauptsächlich Band 1) zu umgehen versuchte. In diesem Grundlagenwerk der politischen Ökonomie geht Marx von der Existenz von Waren aus. Im Übergang von der Urgemeinschaftlichkeit des Schaffens von Gebrauchswerten zur Herstellung von Waren mit ihrem Doppelcharakter aus Gebrauchswert und dem primären Tauschwert, der aus der vergegenständlichten gesellschaftlich anerkannten abstrakten Arbeit versuchte er die sich entfaltenden Keime der in Geld und Kapital kulmulierenden Tauschwertigkeit nachzuweisen.
Für die Erklärung der Funktionsweise des Kapitalismus als absoluter „Marktwirtschaft“ war dies zweckmäßig, für die Erklärung seines möglichen Untergangs aber nicht. Im Gegenteil: Da Marx die dialektische Negationsform „urkommunistischer“ Produktionsform nicht konkret voraussagen konnte, blieben seine Aussagen hierzu sehr abstrakt.
Was vernachlässigte Marx meines Erachtes sträflich?
Bevor die Güter Waren werden, müssen sie eine Grundeigenschaft im gesellschaftlichen Verkehr haben: Derjenige, der sie (als Waren) produziert, hat entweder absolut keine Beziehung zu demjenigen, für den sie den angestrebten Gebrauchs(end)wert darstellen, oder seine Beziehung ist Sonderfall im übergeordneten System solcher anonymer Verhältnisse.
Die von Marx gewählten Beispiele greifen etwas aus einem bereits funktionierenden kapitalistisches System heraus: Die Beziehungen VOR dem fertigen Kleidungsstück können primär in einem Marktsystem nur tauschwertig im Marxschen Sinn geregelt werden. Es erscheint als „Nebensache“, dass das, was zum Schluss entstanden sein muss, AUCH einen Gebrauchswert, also benutzbare Kleidung zu sein, haben muss. Das aber ist nicht das Wesentliche für Spinnerei und Weberei.

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