Wozu schreibt man Texte gegen die Welt,
wie sie heute ist?
Am entschiedensten, weil man überzeugt
ist, dass die nicht nur schlecht gestaltet ist, sondern auch, weil
man sicher ist, dass sie nicht so sein müsste. Es gäbe
Alternativen. Diese Alternativen sind nicht irgendwelche utopischen
Kopfgeburten, sondern für deren Funktionieren haben sich heutzutage
längst die notwendigen materiellen Wurzeln herausgebildet.
Wirtschaftlich, vor allem aber technisch ist alles da, was nötig
wäre, um sich vom Zwang zu auf Geld („Kapital“) fixiertem
Arbeiten zu befreien. All jene alternativlos erscheinenden logischen
Ketten verbliener Marktwirtschaftnerds könnten durch neue ersetzt
werden. Die, die das tun müssten, aber lecken immer noch die Wunden
eines furchtbaren geschichtlichen Untergangs eines technisch
verfrühten Versuchs.
„Wir“ - und das meint viele, die
sich eigentlich linkem Ideengut nahe fühlen - lassen uns noch immer
von der gegnerischen Logik blenden, dass ja der „Sozialismus“
untergegangen sei. In seine Richtung zu blicken, sei deshalb müßig.
Es ist ja so mühsam, sich selbst
einzugestehen, dass die Vielen, die seinerzeit „den“ Sozialismus
aufbauen wollten, etwas damals noch Unmögliches begonnen hatten.
Dass erst einige notwendige Grundlagen geschaffen werden konnten, die
für sich allein genommen in der Konfrontation mit einem
kapitalistischen Weltwirtschaftssystem die tatsächlichen Vorzüge
einer alternativen Wirtschaftsform nicht, nur in Ansätzen oder
teilweise sogar nur in pervertierter Verballhornung entfalten
konnten.
Heute wären die technischen Mittel
sofort greifbar, sie werden nun aber – wenn sie überhaupt bemerkt
werden – vom wieder durchgesetzten Machtapparat des Gestrigen
pervertiert.
Es ist also aktive Auseinandersetzung
mit dem nötig, was heute ginge – und zwar wie und warum.
Kommunismus ist ja nur eine historische Bezeichnung, ein Wort, das
mit realem Leben zu erfüllen ist.. Von alten Vorstellungen, wie
diese Form des Zusammenlebens funktionieren kann, werden wir uns
teilweise radikal trennen müssen. Individuelle Freiheit wird einen
wesentlich konkreteren Hauptanteil an unserem Kommunismusbild
ausmachen müssen. Mitgestaltung aller Lebensbereiche durch jeden,
der sich für seine Angelegenheiten interessiert, wird greifbarer
vorstellbar anstelle sie nur abstrakt zu proklamieren.
Die aktuelle Diskussionen in solche
optimistischen Richtungen zu lenken, sie mit Gedanken anzureichern,
verkrustete Denkstrukturen zu durchbrechen, das ist erklärtes Ziel
des Buchs „Gemeinschaft der Glückssüchtigen“ von Slov ant Gali.
Vorsätzlich wird dabei auf die Trockenheit eines
gesellschaftswissenschaftlichen Sachbuchs verzichtet und dafür die
besondere persönliche Möglichkeit des Autors eingebracht: utopische
Belletristik und Lyrik zu schreiben und neben den
Einmarsch-Erfahrungen der kapitalistischen Ordnungsmacht auch
Erfahrungen aus dem gewöhnlichen Leben im realen DDR-Alltag
verschiedenster Arbeits- und Lebensbereiche gesammelt zu haben.
Im Buch wird klar, dass das Leben im
Kommunismus extrem bunt sein muss, Erfahrungen aus einem Bereich nur
bedingt auf einen anderen Bereich übertragbar sind. Trotzdem bietet
der Autor einen etwas vereinfachenden Musterfall an: Die Befriedigung
des Bedürfnisses nach Musik-Hörgenuss. Hier liegt heute besonders
auf der Hand, dass die reale Praxis unserer Verhältnisse – nämlich
die Befriedigung unserer Bedürfnisse über die Warenform -
hinterwäldlerisch und uns allen zum Schaden gereichend gestaltet
ist.
Das Buch berücksichtigt, dass
bestimmte Denkweisen, konkret die dialektische, recht erfolgreich
aberzogen worden sind. Sie aber sind für das Verständnis
erforderlich. So, wie alles, was ist, das Entwicklungsergebnis der
Geschichte ist, so kann man das, was werden kann, aus dem Wissen
herleiten, was ist und unter welchen Bedingungen es sich entwickelt
hat. Allerdings wird Vernunft angemahnt an Stelle eines
oberflächlichen „gesunden Menschenverstandes“, damit wir nicht
ungewollt einen „Kachelofen“ betreiben, aus dem tötliches
Kohlenmonoxid strömt.
Eine andere Welt ist machbar – welche
das sein kann, dafür findet man in der „Gemeinschaft der
Glückssüchtigen“ viele Anregungen.
Ach ja … Eine besondere Danksagung an
den Bundespredig … pardon: ...präsidenten Gauck. Seine Anregung,
sich Gedanken über das elementare Streben aller Menschen nach Leben
in Glück und Zufriedenheit zu machen, wurde gern aufgenommen ...
Wann ist eine Gesellschaftsordnung
reif, durch eine höhere ersetzt zu werden?
Die materialistische
Geschichtsauffassung sucht die Antwort in der materiellen Grundlage
der Gesellschaft, also im Entwicklungsstand der Produktivkräfte.
Wenn die vorhandenen Produktionsverhältnisse zu Fesseln der
Produktivkräfte geworden sind anstatt sie zu zu entwickeln, müssen
neue her. Im Grundsatz klar, doch stellt sich die Frage, wann dieser
Augenblick erreicht ist. Ganz von der Hand zu weisen wäre die
Marxsche Überlegung ja nicht, dass Überproduktionskrisen ein
solches Fesselverhältnis darstellten: Wenn eine Gesellschaft es
zulässt, dass Waren hergestellt werden, bei denen im Nachhinein
festgestellt wird, dass sie vernichtet werden „müssen“, weil sie
keinen „Wert“ haben, also gar keine Waren sind, dann hat das
System zweifelsfrei einen grundlegenden Defekt.
Trotzdem reichte dieser Defekt
erwiesenermaßen nicht aus. Inzwischen existiert die kapitalistische
Produktionsweise über 150 Jahre, ohne an ihren Krisen zugrunde
gegangen zu sein. Wir ahnen den Hauptgrund: Es müssen innerhalb der
Produktivkräfte auch neue „Konstruktivkräfte“ entwickelt sein,
die einen solchen Grunddefekt nicht nur relativ kompensieren, sondern
ein grundsätzlich besseres Wirtschaften ermöglichen. Das Buch
„Gemeinschaft der Glückssüchtigen“ von Slov ant Gali versucht
auf allgemein verständliche Weise herzuleiten, warum sich die erst
nach dem Untergang des frühsozialistischen Wirtschaftsraums
herausbildeten, ergo den damaligen Ansätzen zur Gestaltung eines
Sozialismus nicht zur Verfügung standen, heute aber existieren und
in krassem Widerspruch zum destruktiven Gesellschaftsüberbau stehen.
Ausgangspunkt der Überlegungen sind
Bedürfnisse, die befriedigt werden sollen, und die Art der
Tätigkeit, die dazu erforderlich ist. Dabei wird davon ausgegangen,
dass urgesellschaftlich eine relative Identität vorlag: Wer immer
etwas im weitesten Sinne „herstellte“, wusste um den Nutzen des
„Produktes“ im Allgemeinen – eingeschlossen einen für sich
selbst.
Die folgenden Klassengesellschaft
bedurften einer wachsenden abstrakten Verselbständigung solchen
Nutzens. Geld als potentiell beliebige Bedürfnisbefriedigung,
Kapital als durch den Produktionsprozess im weitesten Sinn
vermittelte Vermehrung seiner selbst.
Erst schleichend, im Kapitalismus
schließlich extrem beschleunigt, entstand dabei vergegenständlichte
Arbeit, deren Anteil an der eigentlich letztlich anzustrebenden
unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung entsprechend stieg. Inzwischen
ist dieser Anteil weltwirtschaftlich bereits der überwiegende.
In „Gemeinschaft der Glückssüchtigen“
wird der absolute, der „ideale“ kommunistische Hochpunkt der
Relationen als Extrembeispiel herangezogen, der Fall nämlich, dass
vor der endgültigen Bedürfnisbefriedigung keine fremde Arbeit mehr
steht:
Als Ziel angenommen wird immer, dass
jemand Musik hören will, der Hörgenuss das befriedigte Bedürfnis
bedeutet. In der Urphase ging dies nur durch die unmittelbare
„Produktion“ der Musiker, die also auch direkt ihre „glücklichen“
Hörer erlebten.
In der marktvermittelten Phase wird das
Produkt „Musik“ vergegenständlicht. Ob als Schallplatte,
Diskette oder einen anderen „Tonträger“ ist belanglos.
Entscheidend war, dass dieser materielle Träger erarbeitet und bis
zum potentiellen Hörer „vermarktet“ werden musste. Ohne eine zu
handelnde Sache letztendlich keine Bedürfnisbefriedigung. (Die
Vermittlung über Radio u.ä. sei hier außer Acht gelassen. Der
Einfluss des konkreten Hörers auf das erwünschte Musikstück hält
sich auch in engen Grenzen. Der Besuch eines Konzertes wiederum
befriedigt mehrere Bedürfnisse nebeneinander.).
Heute ist technisch das kommunistische
Niveau erreicht: Durch die inzwischen beherrschbaren gigantischen
Datenspeichermengen und das Internet, dass prinzipiell jedem Nutzer
seinen individuellen Zugangsumfang erlaubt, bedarf es keiner „Ware“
mehr, die sinnvoll gehandelt werden muss. Der Nutzer führt die
wenigen Tätigkeiten selbst aus, die ihm sein Bedürfnis erfüllen.
Er führt die erforderlichen Downloads durch. Downloadsperren,
Kopierschutzmechanismen u. ä. Mittel, die aus der heruntergeladenen
Musikstück bzw. dem nutzbaren Programm wieder eine Warenform
generieren, haben mit dem eigentlichen Bedürfnis nichts mehr zu tun.
Im Gegenteil: Sie stehen der technisch möglichen unbeschränkten
Nutzung entgegen.
In jedem Fall von geistigem Eigentum,
einem geistigen Anteil an einer Produktion, einem „Programm“,
einer „Lizenz“ usw. verhält es sich ähnlich. Einmal auf der
Welt existent, „hochgeladen“, veröffentlicht usw. könnten diese
Arbeitsergebnisse weltweit uneingeschränkt mittels Digitalisierung
und Internet so oft von den Nutzern „heruntergeladen“ werden wie
gewünscht. (Nach heutigem Wissen wird man im Unterschied dazu auch
im Kommunismus jeden konkreten Apfel nur einmal essen können, muss
also jeden neu erzeugen und mit dem Apfelesser zusammenbringen.
Besonderheiten kommunistischen Wirtschaftens in einem solchen Fall
werden in „Gemeinschaft der Glückssüchtigen“ aber auch zur
Diskussion gestellt.) Der Apparat an unterschiedlichen Mitteln, die
freie Nutzung vorhandenen „Weltwissens“ zu verhindern, hat
inzwischen astronomische Ausmaße erreicht und dürfte in seinem
Schaden für die Weltentwicklung bereits die Schäden offener
Kriegshandlungen überholt haben. Diese Destruktivkraft
antikommunistischen Wirtschaftens wird aber in der Linken nur in
Nischenbereichen skandalisiert (Lizenzen auf Tiere, Lebensmittel.
Generika-Probleme u.ä.).
Die Verantwortung der Linken liegt im
allseitigen Nachweis der Überholtheit all dessen, was wir heute
„Kapitalismus“ nennen und der Anregung von Diskussionen, wie ein
grundsätzlich anderes Wirtschaften „danach“ funktionieren kann.
„Gemeinschaft der Glückssüchtigen“ liefert dazu Denkanstöße“.