Dienstag, 29. März 2011

Wahlmüll (1)

Wahlen laufen unter konkreten Bedingungen ab. Sie sind langfristig nur bedingt aussagefähig. Man kann dabei die Wähler in „Typen“ einteilen.

Die eine Wählergruppe sind die „konservativen“ Wähler. Das ist nicht als politische Ausrichtung gemeint. Es geht hier um jene Menschen, die an einer irgendwann getroffenen Entscheidung fast bedingungslos festhalten. Gemeint sind also beispielsweise diejenigen, für die die SPD immer noch „rot“ ist, sozusagen „Arbeiterpartei“ oder die „Grünen“ sind noch die Partei der Steine werfenden 68er Aufrührer. Meist sind diese Wähler „verpackungsgläubig“, also für sie ist sicher, dass eine Partei, die sich „christlich“ nennt, dadurch auch christlich ist. Schon die Frage, ob Jesus Christus CDU oder CSU wählen würde, erscheint ihnen als gröbste Blasphemie, denn eine solche Frage schließt ja ein Nein als Antwortmöglichkeit ein.

Der wichtigste Erfolg Jahrzehnte langen antikommunistischen Kampfes auf verschiedensten Ebenen (von BLÖD bis Berufsverbot) ist die restlose Zerschlagung dieser Gruppe, soweit sie in kommunistischer Tradition gestanden hat. Über vergreiste Parteimitglieder, die sich selbst wählen, muss nicht geredet werden, auch wenn es traurig ist, wie viele reale Kampferfahrung mit diesen Menschen wegstirbt.

Eine zweite Gruppe sind so genannte „Pragmatiker“. Sie haben eine unterschiedlich gut ausgeprägte politische „Meinung“, glauben aber besonders klug abzuwägen. Meist ist ihre Meinung kurzfristig orientiert. Als Beispiel: Wenn das Bild eines friedlichen Demonstranten durch die Medien geht, dem ein Herr Mappus die Augen ausschießen ließ, heißt für sie die Formel „Mappus muss weg!“ Sie verfolgen dabei Prognosen und Trends, um den Zug zu erwischen, mit dem ihr Minimalziel am ehesten erreichbar scheint. Problematisch ist dabei die Kurzfristigkeit des Herangehens: Die aktuellen Versprechungen der Opposition werden aufgegriffen, die wichtig erscheinen, unabhängig davon, ob die aktuelle Opposition vorher als Regierungspartei dasselbe schlimmer gemacht hat. Diese Wähler greifen normalerweise nicht nach Außenseitern.
Beide Wählergruppen bilden das wesentliche, die Verhältnisse verfestigende Gerüst.

Man darf die dritte Gruppe nicht übersehen. Nennen wir sie „Überzeugungstäter“. Da sie „an den Rändern“ am auffälligsten sind, unterschiebt man ihnen gern „Extremismus“. Das ist insofern falsch, weil es natürlich auch FDP-Wähler gibt, die davon überzeugt sind, dass die Stärksten auserlesen werden müssen, weil sie selbst die Stärksten zu sein glauben – und die Partei für die Partei der Starken hielten. Zumindest in der FDP-Wählerschaft gibt es wohl gerade Identitätsprobleme. Normalerweise wechseln diese Wähler ihren Liebling gar nicht; mitunter werden sie schreckliche Renegaten, die dann auf ihre früheren Freunde eindreschen.

Sonntag, 27. März 2011

Das kann uns nicht passieren

Dass der zurück liegende „realsozialistische“ Anlauf gescheitert ist, hatte vielfältige, einander ergänzende Ursachen. (Ich meine nicht Anlässe. Ich meine, warum nicht „das Volk“ sich massiv gegen die Gorbatschow-Gaunereien gewehrt hat. Ich bekenne ja selbst, die von dem Landesvolksverkäufer verkündete Öffnung als wünschenswert angesehen zu haben.)
Ein Denkansatz liegt in Tschernobyl. Dieser Katastrophe war die Fast-Katastrophe Harrisburg voraus gegangen. Die wurde aber durch die „sozialistischen“ Ideologen abgetan: Das ist Nebenprodukt der Profitwirtschaft. Uns kann das nicht passieren. So etwas nennt man Halbwahrheit: Jede „Profitwirtschaft“ ordnet jede Kostenposition dem Ziel alles Handelns, eben dem Profit unter. Und Sicherheit ist eben eine Kostenposition. Das Problem bleibt: Das Verhältnis zwischen fixen Kosten für den Bau eines AKW und seinen laufenden Betriebskosten ist eben so, dass dem Betreiber jedes Mittel recht ist, seine „Gelddruckmaschine“ im Betrieb zu halten, wenn sie denn einmal steht. Davon lebt er ja als „Kapitalist“. (und gut)
Das Problem des Risikos schert sich aber nicht um gesellschaftliche Systeme. Auch eine als „sozialistisch“ errichtete „Wand“ hat ihre Festigkeit, ihre Lebensdauer. Kernschmelze ist Kernschmelze. Der einzige Unterschied heute ist die Erfahrung, dass es ein Tschernobyl gegeben hat. Man WEIß jetzt, dass das nicht funktioniert hat. Aber das Argument „Das kann uns nicht passieren“ hören wir wieder. Der „Vorgang“ Tschernobyl war eines der Bausteine, einen theoretischen Mythos im Alltagsbewusstsein zu zerstören: Was da Sozialismus sein sollte, war wohl nicht so unbedingt identisch mit beherrschtem Fortschritt. Und so unbedingt besser für die Menschen schien er auch nicht.
Nun gibt es keine UNBEDINGTEN Analogien. Wer sachlich vergleicht, konnte sich inzwischen davon überzeugen, dass „sozialistisch“ eine bessere Grundlage wäre, um Technik mit und für den Menschen zu entwickeln. Aber ohne aktives Eingreifen geht’s überall „weiter so“ - bis zum Ende der Menschheit eben. Also gilt es erst einmal, die technischen Bedingungen für das Überleben der eigenen Art als Teil der lebenden Natur zu erhalten bzw. wieder herzustellen. Und ein Punkt dabei ist, die AKW abzuschalten ...

Mittwoch, 23. März 2011

Personenkult und materieller Anreiz (3a)

Der Dritte Teil zum „materielle Anreiz“ scheint total missverstanden worden zu sein. Gerade auch, was die Beziehung zur Erscheinung des „Personenkults“ und die historische Einordnung betrifft.
Man stelle sich vor, mit der jungen Sowjetmacht und der Befreiung des durch den Faschismus geistig deformierten deutschen Landesteile wurde etwas frei, das sowohl auf die Klassiker Marx und Engels, aber auch auf die Illusion des unmittelbar bevorstehenden Sieges des Kommunismus (!!!) aufbaute. Endlich schien die Zeit der primitiven materiellen Reize kapitalistischer Warenwelt vorbei zu sein. Lenins vorsichtiger Versuch der realistischen Beurteilung der Weltlage, der zur NÖP geführt hatte, wurde gern seiner negativen Seiten wegen als vorübergehendes (-gegangenes) Experiment abgetan. Die Helden der neuen Zeit sollten nicht mehr durch schnöden Mammon „belohnt“ werden – aber belohnt werden sollten die Menschen schon, die etwas geleistet hatten. Es musste eine neue „Anerkennung“ her. Und so schoss man sowohl über´s Ziel hinaus, indem (wieder) Menschen „vergöttert“ wurden, als auch in die Lächerlichkeit, da natürlich die ideelle Anerkennung ihren Rang erst dadurch gewinnt, dass die materielle zum Witz geworden ist. Wer sich freuen soll, ein „Held“ (der Arbeit usw.) zu sein, fühlt sich aber nicht zu Unrecht verspottet, wenn er sich dafür nichts kaufen kann. Zumindest trifft das in den Augen der „Masse“ zu. Einem Adolf Hennecke mag schon die Gewissheit ausgereicht haben, das Richtige getan zu haben.
Ein anderes, aber damit zusammen hängendes Problem war und ist, dass das Geld wertfrei wertet und vergleicht, was inhaltlich nicht zu vergleichen ist. Eine Kommastelle mehr bedeutet höhere gesellschaftliche Anerkennung. Die perversesten Folgen bringt dabei der Kapitalismus hervor: Wie viel Geld (= Anerkennung!) erhält man wofür? Da fällt u.a. auf, dass „Sorge-Arbeiten“ besonders geringe Anerkennung genießen, die Vernichtung fremder Existenzen dagegen besonders hohe. Wie differenziert auf Euro und Cent eines Menschen Tun durch das Kapital anerkannt werden kann (bzw. seine Menschlichkeit permanent bestraft), verzerrt das Bild nützlichen Tuns völlig.
Das kann in einem Sozialismus-Ansatz beim Nebenherbestehen hochgepushten Kapitals nur leicht abgebaut werden. Erst, wenn allgemein kommunistische Grundverhältnisse herrschen, kann sich die Vielzahl kleiner, mittlerer und großer nicht materieller Anerkennungen als Handlungsantrieb durchsetzen. Dann ist nämlich auch das Schulterklopfen des Kollegen „...Hast du gut gemacht!“ eine echte Stimulierung ...

Mittwoch, 16. März 2011

Sind denn die Japaner blöd?


Auf wordpress gibt es ein wahrscheinlich gefaketes Blog einer „Mangoblüte“ zur Verdummung von Mädchen im Modesumpf – wahrscheinlich eingerichtet von bestimmten Produktanbietern. Nun gut … jede Dummheit ist vermehrungsfähig. Nun aber produziert diese Seite „gesunden Menschenverstand“ gegen „Aktionismus“ im Sinne vom „Abschalten“ der AKW. Da wird es Ernst.
Natürlich habe ich mir auch die Frage gestellt, warum ausgerechnet die Japaner ihre Energieversorgung auf Atomstrom ausgerichtet haben, wo ihre Bebenwahrscheinlichkeit doch bekannt sei – ganz abgesehen, wo doch Japaner diejenigen sind, die in Massen mit den gesundheitlichen Wirkungen atomarer Verstrahlung „vertraut gemacht wurden“ - in größerem Umfang als die Umgebung von Tschernobyl.
Eine Erklärung wäre grundsätzliche Volks-Blödheit. Ich neige dazu, diese Möglichkeit als unzutreffend anzunehmen.
Bleibt nur eine andere: Eine mächtige Lobby von Firmen, die die großen Profite vor Augen hatten, hat diese Entwicklung gezielt „produziert“. Ein Kern-Mittel dabei dürften diverse „unabhängige“ Gutachten gewesen sein, denen eines gemeinsam war: Sie wiesen die Unbedenklichkeit der zu bauenden Reaktoren nach. Effektivität mehrfacher Sicherungssysteme, mathematische Berechnungen der (Un-)Wahrscheinlichkeit von Erdbeben der Stärke, die nun aufgetreten sind, usw., der Beweis der ökonomischen Alternativlosigkeit … Bis dann irgendwann Regierungen grünes Licht für die potentielle Selbstzerstörung geben konnten.
Wahrscheinlich wurde auch vor „Aktionismus“ gewarnt und erklärt, wir bauen erst testweise und wenn nichts passiert, dann erweitern wir schrittweise und was 30 Jahre läuft, läuft auch 50 usw.
Die Gefahren mögen in Mitteleuropa andere sein. Aber eine wächst z.B. uneingeschränkt: die „Endlagerung“. Wir können den Abbau des radioaktiven Materials in Halbwertzeiten ruhig ignorieren und vereinfachend sagen: Mit jedem Betriebsjahr sammelt sich weiteres potentielles Gefahrenmaterial an. Die mikroskopisch kleinen Bedrohungen wachsen also „expotential“. Sie haben allerdings eine besondere Eigenschaft: Sollte eines der kleinen „Restrisiken“ Wirklichkeit werden, kann man seine Wirkung auf unsere Lebensumwelt nicht rückgängig machen. Um es vorsichtig auszudrücken: Beim jetzigen japanischen Vorfall werden nachher wahrscheinlich Hunderttausende Hilfskräfte und Anwohner dauerhaft (kleine?) gesundheitliche Schäden zurückbehalten. Bezieht man diese in die Berechnung der „Kosten“ für Atomstrom mit ein, kämen einige schnell ins Schwitzen. Wir sind nämlich an einem Punkt der Produktion, an dem Preise politisch gebildet werden, also bestimmte Leistungen billiger oder teurer sind, weil bestimmte „indirekte“ Kosten berücksichtigt werden oder nicht. Sicherheit und Gesundheit gehören dazu, aber auch (Grundlagen-)Forschung oder unmittelbare „Infrastruktur“. Es wird ja wohl jeder einsehen, dass die nachweisbaren „Kosten“ für den Personenverkehr im Vergleich zwischen Straße, Schiene und Luft extrem manipulierbar sind, je nachdem, wie viel Straßenbau- und Unfallkosten in die Berechnung eingehen bzw. welche Steuern worauf erhoben werden – dass aber umfassende Mautgebühren komplizierter sind als Wunsch-Fahrkartenpreise bei der Bahn ....

Personenkult und materieller Anreiz (3)

Zum dialektischen Denken gehört u.a., dass jede Bewertung historisch begründet ist, und jedes gleiche Tun unter unterschiedlichen zeitlichen Bedingungen positive oder negative Wirkungen hat.
Wenn also die wesentliche Bewertung überhaupt in Geld erfolgt, dann erscheint jede Bewertung außerhalb des Geldhorizonts als minderwertig. Dessen waren sich die frühen Sowjetkommunisten und ihre Nachahmer zumindest intuitiv bewusst. Sie entschieden sich (teilweise bewusst) für die Übergangslösung der „Überkompensation“. Der negative Ausdruck dafür ist „Personenkult“. Insoweit man das „alte“ Mittel der schnöden materiellen Stimulierung nicht mehr (vollständig) anwenden wollte (und konnte), wird die als lobenswert eingestufte Person „hochgelobt“. In einer Umgebung vorherrschender Marktwirtschaft produzierte das ins Lächerliche gesteigerte Sumpfblüten. In den frühen DDR Jahren Aufgewachsene erinnern sich sicher noch des leeren Stuhls im Präsidium ihrer Jungpionier-Gruppenversammlung, der Genossen Stalin vorbehalten war.
Die Reife der eigenen Gesellschaft lässt einen dann über eigene Jugendsünden lachen. Sie gehen unter. Ohne den Druck des Marktes bleibt das allgemeine Bedürfnis jedes gesellschaftlichen Wesens nach Anerkennung. So, wie der eine sich freut (und dafür weitere Bilder malt), in der Schule seiner Kinder eine Ausstellung zu bekommen, so freut sich ein anderer, auf die Liste derer zu kommen, nach denen eine der Straßen im neu konzipierten Wohnkomplex benannt werden wird, und einem dritten reicht der Applaus für seinen gelungenen Scherz bei der Betriebsversammlung. Das sind verschiedene Ebenen? Natürlich! Aber die Menschen „pflücken“ ihr Glück normalerweise auf verschiedensten, ihnen gemäßen „Ebenen“. Erst die Vergegenständlichung von (von ihrem konkreten Inhalt völlig gelösten) abstrakten Arbeiten in Geld nivelliert die Möglichkeiten persönlicher gesellschaftlicher Anerkennung auf den Besitz von verwertbaren Reichtum..
Damit bestreite ich ja nicht die Notwendigkeit solchen Denkens für die Schaffung der „materiellen Basis“ kommunistischer Verhältnisse. Dann aber entfällt die Notwendigkeit, Dinge miteinander zu vergleichen, die in der konkreten Art, irgendein Bedürfnis zu befriedigen, total verschieden sind.
Wir sind bereits dabei, perverse Disproportionen unbewusst abzunicken: Die eine Frau gönnt einem Sterbenden die letzten zehn glücklichen Minuten seines Lebens, die andere unterschreibt (wenn sie es überhaupt per Hand machte) 50 Kündigungen für „überflüssig“ gewordene Mitarbeiter. Ist die erste eine Verwandte, muss sie die Zeit von „gesellschaftlich anerkannter“ Arbeit abzweigen, macht sie es als Arbeit, bringt ihr das einen Euro netto, womit sie nicht einmal in ein öffentliches Verkehrsmittel einsteigen dürfte, während die zweite als Angestellte sagen wir das Fünffache, als Unternehmerin bin zum Fünftausendfachen „verdient“ haben kann.

Dienstag, 15. März 2011

Atomreaktoren und "Direkte Demokratie"


Japan ist überall, Harrisburg oder Tschernobyl. Bei der Frage der Atomkraft gibt es ein Element, das es von einem Verkehrsunfall unterscheidet: Während jeder, der in ein Auto steigt, ja selbst jeder, der eine Straße überquert, natürlich ein Restrisiko in Kauf nehmen muss, dass ihn selbst betrifft, ist das geringe Restrisiko für einen Atomreaktor eines, das sich im Wesentlichen auf Unbeteiligte bezieht. Wer über die Straße gehen will, kann sein Risiko dadurch mindern, dass er eine Ampelkreuzung benutzt, bei der er weiß, dass die Autofahrer „rot“ haben, wenn er „grün“ hat. Sollte allerdings ein verbotenerweise Besoffner am Steuer trotzdem anfahren und den Fußgänger überfahren, so hat der auf dem Friedhof immer noch die „Rechtfertigung“, sich normgerecht verhalten zu haben. Er bleibt allerdings überfahren, weil er das minimale „Restrisiko“ falsch eingeschätzt hatte. Aber wie gesagt: Es betrifft immer nur den, der wirklich gerade selbst übe die Straße ging. Bei einem Atomkraftwerk betrifft das minimale „Restrisiko“ fast ausnahmslos Unbeteiligte, deren „Mitschuld“ ihre Nähe zum Objekt war.
Man MUSS daraus nicht die Schlussfolgerung ziehen, alle AKW abzuschalten … aber gerade wegen des eben dargestellten Zusammenhangs MUSS „man“ auf jeden Fall alle Menschen (und hier sind wirklich alle Menschen gemeint) befragen, ob sie bereit sind, sich selbst und alle ihre Mitmenschen jenem minimalen, aber eben undefinierbaren „Restrisiko“ auszusetzen. Und sollten die befragten Bürger mehrheitlich nein sagen, hätte die Abschaltung zu erfolgen (Ich gebe zu, dass ich mit einem solchen Ergebnis rechnete).
Fragen solche Art stehen nicht nur einmalig vor „der Menschheit“. Sie können sich auch mit demselben Gegenstand wiederholen. Es ist ja nicht total unvernünftig zu vermuten, dass wenn 20 Jahre nichts passiert, auch danach nichts passieren wird. Allerdings mehren sich die Möglichkeiten, dass eine Maßnahme nicht mehr rückgängig machbare Nebenwirkungen hervorruft, die das Ende der Menschheit bedeuten können – und EINE genügt. Beim jetzigen Kenntnisstand denke ich an genetische Manipulationen. Wir sollten gelernt haben, dass es keine Veränderung in der Natur gibt, die nur exakt die eine Wirkung hat, die beabsichtigt war. Die „Nebenwirkung“ kann allerdings zeitversetzt auftreten.
Das „allgemeine Volksempfinden“ ist nicht von vornherein vernünftig. Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht, trifft nicht nur auf „den Bauern“ zu. Aber das darf kein Grund sein, solche schwer wiegenden Entscheidungen irgendwelchen Volks“vertretern“ zu überlassen. Zum einen sind einzelne Menschen generell leichter in materielle Abhängigkeit zu bringen, die eine konkrete Sachentscheidung von der Sache unabhängig macht. (Es gibt da Begriffe wie Korruption oder „Lobbyarbeit“). Systeme der privatwirtschaftlichen Organisation der Wirtschaft sind aber ein Zuchtfeld für solche Erscheinungen. Der direkte Profit eines AKW-Betreibers produziert zwangsläufig alle denkbaren und noch undenkbaren Wege, um einzelne „Entscheidungsträger“ mit einem Teil eben dieser Profite für die Unterstützung der Sache einzukaufen. Dabei gibt es besonders viele indirekte Beeinflussungen. (Eine Hochschule wird bei Projekt A von Firma B materiell unterstützt. Es ist nicht auszuschließen, dass ein anderer Teil der Hochschule Probleme hätte, ein Gutachten zu erstellen, mit dem der Firma B ein Schaden entstände …)
Direkte Demokratie, also die Rückgabe der Befugnis, über ihre Lebensfragen selbst zu entscheiden, an die Bürger, ist zwangsweise mit der Notwendigkeit verbunden, sie zu informieren. Dazu wiederum ist „Kommunismus“ nützlicher als Privatwirtschaft, weil er einfach die Notwendigkeit für bestimmte Gruppen von Menschen abschafft, zum Selbsterhalt zu lügen. Falsche Bewertungen kommen nur noch wegen Irrtümern und persönlichem Fehlverhalten in Umlauf, aber nicht mehr deshalb, weil z. B. „die Politiker“ sagen müssen, was wichtige Geldgeber in Umlauf geben wollen.

Montag, 14. März 2011

Personenkult und materieller Anreiz (2)

Der „Ur-Kommunismus“ war in sehr engem Sinne ein Zwangs-Kommunismus: Das Ausruhen des einen zu Lasten Anderer drückte das Lebensniveau der Gruppe unter die Überlebensgrenze. Die Gruppe musste also Wege zum „Gruppenzwang“ finden. Die schlossen im Extremfall den Ausstoß ein – was normalerweise einem Todesurteil gleich kam. Was alltäglicher war, war aber die minutiöse Kenntnis der „Leistungen“ der einzelnen Gruppenmitglieder durch den Rest. Das hatte natürlich neben der ständigen Gefahr „schief angesehen zu werden“ allerdings auch den Vorzug, leicht eigene Stärken anerkannt zu bekommen. Wenn man sich bemalte – was für das nackte Überleben eigentlich überflüssig gewesen wäre – sahen alle sofort, wer die schöneren Striche vollbrachte. Die Gruppe war dabei in der Lage, spezielle Sonderfertigkeiten in dem Umfang zu tolerieren, in dem sie das nackte Überleben nicht gefährdeten. Sie konnte sich an ihnen sogar aktiv erfreuen. (Logisch wäre also, das ein solches aktive mit Erfreuen im Kommunismus zum Regelfall würde.)
Eine solche Freude war in gewisser Hinsicht abstrakte Belohnung (für das Individuum und die Gruppe zugleich).
Gehen wir davon aus, dass für keinen Kommunismus der Druck nackten Überlebens eine Rolle spielt, der Begriff „Kriegskommunismus“ eine makabre Verballhornung des Grundgedankens ist. Dann stoßen wir auf ein Problem, das die Geschichte aller sozialen Ungleichheitsgesellschaften allmählich immer weiter perfektioniert hat: Jede Tätigkeit wird gewichtet nach dem Maßstab, „Was hab ich davon?“ Diese Wichtung wird auch bei Marx reflektiert. Es entsteht eine Unterscheidung zwischen durch in Geld gemessener Nützlichkeit gesellschaftlicher Arbeit und Tätigkeiten, die zwar auch „Arbeit“, also zielgerichteter Stoffwechsel mit der Natur sind, aber aus objektivem „kommunistischem“ Druck heraus ausgeführt werden (müssen) … und Übergängen zwischen beiden. In erster Linie meint dies Haus- und „Sorge“-Arbeiten, denen gemeinsam ist, dass die Potenzen zur Steigerung ihrer Arbeitsproduktivität geringer sind. (Teilweise führt der Versuch bereits zu Sinnentleerung, was jede engagierte Pflegekraft bestätigen wird.)
Wir als unter solchen Bedingungen Geborene schätzen absurderweise fünf elektronische Speicherchips höher als fünf Minuten verschenkte Freude und Menschlichkeit.

Sonntag, 13. März 2011

Personenkult und materieller Anreiz (1)

Es gibt viele Gründe, NICHT an eine kommunistische Zukunft zu glauben. Sie sind mehr oder weniger vernünftig. Aus dem Verlauf der bisherigen Geschichte der „kommunistischen Bewegung“ und ihrer Umsetzung in staatliche Organisation solche Ablehnung abzuleiten, ist augenblicklich der häufigste. Er gehört aber zu den weniger vernünftigen. Er ignoriert nämlich die einfache Tatsache, dass es auf dieser Welt bisher noch nirgends Sozialismus oder gar Kommunismus gegeben hat und geben konnte, weil einfach die materiellen Voraussetzungen dazu bisher gefehlt haben. Denken wir uns aber sowohl die Propaganda von Feinden des gesellschaftlichen Fortschritts weg, die nicht aufhören werden von „kommunistischen Regimes“ zu fantasieren, als auch die geistige Onanie jener Selbstdarsteller, die in Ermangelung realen schnellen Fortschritts etwas hatten herbei jubeln wollen, was sie gerne gehabt hätten. Dann bleibt die Feststellung, dass man nichts verwerfen sollte, was man nicht kennt. Das aber ist ein Problem unserer Vorstellung künftiger Verhältnisse, weil wir wirklich die Grenzen unseres gewohnten Denkens überschreiten müssen.
Besonders als links erwachsen Gewordene (aber nicht nur die) haben praktisch oft etwas erlebt, was sie im Unterbewusstsein an der Möglichkeit kommunistischer Verhältnisse mehr als zweifeln ließ: Sie haben die Probleme einer WG erlitten. Die meisten von ihnen funktionieren eher schlecht: Die einen Bewohner ruhen sich nämlich häufig auf dem Leidensdruck der anderen aus, bringen nicht Gleichwertiges in die Gemeinschaft ein, sondern „grunzen sich einen ab“, wenn die „Sauberkeitsfanatiker“ nach dem siebten Hinweis, wer eigentlich dran war, letztlich doch alles selbst machen. Da sie irgendwann selbst „die Schnauze voll“ haben, sehen sie (ohne dies zuerst laut durchzuphilosophieren) intuitiv den Untergang „des Kommunismus“ voraus.
Und sie haben nicht ganz Unrecht (aber letztlich doch).
Gesellschaftlich haben sie zumindest insoweit Recht, als dass es in der GESAMTEN menschlichen Entwicklung noch keinen dem Ziel „Kommunismus“ entsprechenden Fall gegeben hat. Die Menschheitsgeschichte beginnt dann erst im eigentlichen Sinn mit Beziehungen, die wir aber trotzdem geistig vorwegnehmen müssen.

Dienstag, 8. März 2011

Frauentagsgedanken oder 100 Jahre und kein Ende ...

Es gibt Probleme, die kann man innerhalb „vorgegebener“ Grenzen nicht lösen. Da hilft nur eins: Die Grenzen sprengen. Alles Andere ist nur Verleugnung des Problems.
Solch ein Problem ist das der Gleichberechtigung.
Bei Clara Zetkin gab es noch ein besseres Wort: „Gleichheit“.
Es wird ja wohl niemand unterstellen, dass die progressive Frauenrechtlerin gemeint haben könnte, Frauen und Männer seien das Gleiche. Es ging also im ursprünglichen Kampf darum, sowohl gleiches Recht für Frauen und Männer zu erreichen als auch – und das ist das Schwierigere – zu realer soziale Gleichheit zu kommen.
Der Weg dahin ist länger als das heute die meisten glauben. Natürlich schließt der das Wahlrecht ein und formal beseitigte Diskriminierungen. Aber schon Letzteres hat hinterhältige Hintertüren. Um es etwas drastisch zu übertreiben: „Bei mir dürfen Frauen und Männer zu gleichen Löhnen arbeiten, nur Schwangerschaften und Fehlzeiten wegen Kinderpflege sind Kündigungs- bzw. Gründe für Rückstufungen“. So offensichtlich ist das meist nicht (mehr) formuliert – vom Ergebnis läuft es dann doch darauf hinaus.
Mit einer Autorin, die sich zum Frauentag, gerade wegen des 100. Jahrestages, geäußert hat, hatte ich eine kleine „künstlerische“ Differenz: Sie gebrauchte den Ausdruck, dass viele Frauen längst „ihren Mann stehen“. Solch ein Ausdruck steht für die tiefe Akzeptanz von patriachalischem Denken. Sie setzt ja voraus, dass die Männer das Wertvolle tun, die Frauen, die „wie Männer“ sind, besser seien.
Man kann künstliche Nebenschauplätze schaffen, die Grundfrage der Gleichberechtigung lächerlich machen, in dem Sachbezeichnungen vergeschlechtlicht werden. Es gibt also nicht mehr Autoren und Bäcker, sondern AutorInnen und BäckerInnen. Dabei ist natürlich auch die Ärztin ein Arzt.
Gleichberechtigung der Frau unter gegebenen Bedingungen (!) ist erst einmal Frauenförderung. Ein langer Prozess – wie die DDR zeigte. Die sozialistischen Eigentumsverhältnisse dort ermöglichten wesentlich mehr als privatwirtschaftliche. Prinzipiell waren zu DDR-Zeiten die äußeren, sprich formalen UND sozialen Umstände beseitigt, die eine gleiche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verhindern konnten. Das Selbstbewusstsein von Frauen, die wussten, worüber sie bestimmen konnten, entwickelte sich … ohne allerdings automatisch traditionelle Strukturen zu sprengen. Politbüro oder Kombinatsdirektionen kannten Frauen erst in Neben- bzw. Alibirollen.
Aber natürlich entscheiden die Eigentumsverhältnisse über die grundsätzliche Einstellung zur „Gleichberechtigung“. In dem Moment, in dem ich Boss eines Unternehmens bin, zählt für mich als erstes der Profit des Unternehmens. Jeder Arbeitsausfall bedroht dieses Hauptziel. Kindbedrohte Frauen sind für mich ein Risikofaktor, den ich notfalls durch verschleierte Formen von Minderbezahlung abzuwälzen vermag. Glück für Frauen, wenn eine Firma ihr Verhältnis zu ihren Frauen als Imagepflege auffasst.
Andererseits hat die Wertigkeit der Frauen aus dem gesellschaftlichen Arbeitsprozess herzuleiten, so richtig das für Linke prinzipiell sein mag, einen bitteren Beigeschmack, nein mehrere: Fast makaber ist es, wenn die Frauen „dazuverdienen“ müssen, weil es „hinten wie vorne nicht reicht“. Da sind sie nämlich im Arbeitsprozess benachteiligt als minder bezahlte „Rangiermasse“ UND im Haushalt, wo sie als Gesamtputze „ihre Frau zu stehen haben“. Wie weltfremd dazu die Diskussionen um Frauen, die relativ frei wählen können, ob sie ihre Selbstverwirklichung zu Hause oder in einer Karriere finden. Wer die Frage so stellen kann, ist schon fein raus. Gleichberechtigung bedeutete dann nämlich, sich wirklich frei für oder gegen einen der Wege entscheiden zu können. Wer aber kann das wirklich?

Mittwoch, 2. März 2011

Zu Guttenberg und die Stasi


Als ich heute früh ins Internet eintauchte, begegnete mir als erstes eine Spekulation, derzufolge der erkannte Plagiator vielleicht schon in drei Jahren sein Comeback an die Spitze der deutschen Politik feiern könnte. Zum eigenen Entsetzen fand ich diese geistige Spielerei nicht völlig abwegig. Zu den Merkmalen des „modernen“ „Rechtsstaates“ gehört ja, dass mitunter schockierend auf die eigene Tünche verzichtet wird. Vielleicht stürzt Berlusconi doch noch über sein Spiel an den Grenzen der beweisbaren Kriminalität, aber schon die Tatsache, in welchem Umfang er bisher die Rechtfertigungsregelungen des eigenen Systems individuell „interpretieren bis umschreiben konnte, sollte uns zu denken geben. Ungarn geht einen Weg, bei dem bürgerliches Recht und „Diktatur“ miteinander verschwimmen. Warum nicht einen Guttenberg für Deutschland.
Da erlaube ich mir natürlich, die „Stasi“-Debatte aufzukochen. Mir kann dabei sicher nicht vorwerfen, dass ich irgendeine Praxis unter dem Mantel der so betitelten Institution rechtfertigen wollte. Doch nun muss ich mir auch mehrere „Aber“ erlauben dürfen:
  1. Sicher hat es auch unter dem Dach des „Ministeriums für Staatssicherheit“ Menschen gegeben, die „nur ihren Job gemacht haben“, ja auch solche, die ihre randperversen Machtphantasien ausgelebt haben. Das bringt die besonders Schmutz orientierte Tätigkeit von Geheimdiensten so mit sich. Wer also aus diesem Grund zu Recht gegen die „Stasi“ polemisiert, darf KEINEN anderen Geheimdienst ausschließen – vor allem, da die Schweinereien bei vorhandener Macht nicht oder nur zufällig ans Licht kommen, wenn da ein Unschuldiger (!), der Guantanamo durchlief, sich erinnert, dass sich auch deutsche Geheimdienstler an seine Folter erfreuten. Sollte einmal ein neues System die Archive der heutigen Geheimmacht öffnen, das V-Leute-Arsenal offenbar werden, könnte Knabes Hohenschönhausener Horrorschuppen zur Kleinigkeit schrumpfen. (Im Nachhinein erinnert man sich auch leicht verzerrt …)
  2. Im Gegensatz zum Freiherrn zu beziehen sich die Verfolgungen von Menschen im Zusammenhang mit der „Stasi“ meines Wissens nicht auf persönliche Vergehen, sondern Zugehörigkeiten. Dabei wird die in jedem Rechtssystem greifende Verjährung minder schwerer Fälle ebenfalls ausgeklammert.
  3. Zu den Zweifelhaftigkeiten in der Praxis des damaligen Ministeriums gehörte, dass Menschenmassen ihm unterstellt waren, die von der Art ihrer Tätigkeit mit Geheimdienstklischees absolut nichts zu tun hatten. Besonders perfide ist dabei die Zugehörigkeit zum Wachregiment. Menschen lebenslang abzustempeln, weil sie in ihrer Jugend einmal für würdig befunden worden waren, wichtige staatliche Einrichtungen sichtbar zu schützen, man ihnen NUR ein besonderes Verantwortungsbewusstsein zuerkannt hatte, nur weil es die Verantwortung für das jetzt unerwünschte System war, widerspricht der eigenen Selbstrechtfertigungslogik des Systems. Da man bewusst auf das Nichtwissen der manipulierten Massen setzt, zeigt besonders deutlich, dass es NICHT um ein Ministerium geht, sondern eben ein Systemkrieg geführt wird, bei dem in zum Glauben bereiten Köpfen Dinge als gleich suggeriert werden, die nichts Gleiches hatten.
  4. Soll ich einen zu Guttenberg Faschist oder Kriegstreiber nennen? Ich würde das mit dem Faschisten vermeiden. Es wäre aber MINDESTENS nicht weniger gerechtfertigt, als den untergegangenen Realsozialismus mit dem Faschismus direkt oder indirekt auf eine Ebene zu stellen. Und sei es nur, dass aller „Militarismus“ dort einer großen allgemeinen Friedensliebe untergeordnet war, der Kampf gegen die Grundlagen unmenschlicher Beziehungen gerichtet war und nicht gegen die Angehörigen einer Rasse oder Gruppe von Menschen. (Das es hiervon anfangs Abweichungen gab, weiß ich. Aber will man etwa die Studienaussichten von Bourgeoiskindern mit der systematischen Tötung von Juden usw. in einen Topf werfen?) ...