„Kulturnation Deutschland?“ Der
Titel des Büchleins hat es schon in sich, vor allem, weil der Autor
Peter Michel nicht versucht, die tolle DDR zur vorbildlichen
Kulturnation hochzuschreiben, sondern sich um Ausgewogenheit bemüht,
Kunst als Menschheitswert an sich zu fassen, den es des Menschseins
wegen zu pflegen gilt. Gerade deshalb gewinnen seine Vorwürfe eine
über Politisches hinausreichende Relevanz.
Nun also zwei Seiten Überblick über
drei Ausstellungen von in der DDR entstandener Kunst. Erstes Fazit:
So etwas ist auch im nicht so richtig „vereinigten“ Deutschland
bereits möglich. Man möge es direkt nachlesen: Kein
Abschied von Ikarus
Aber noch immer lässt sich im neuen
Deutschen Reich ein Umgang mit Kunst, die nicht die eigene ist,
feststellen, die von denselben „Kultur-Politikern“ bei ehemaligen
Staaten des „Realsozialismus“ mit Schimpfworten wie
„Sozialistischer Realismus“ (wichtig: die Anführungsstriche),
aber eben auch stalinistisch u.ä belegt worden wäre. Also Ideologie
dort, wo auf DDR-Seite schon Kunst war. Also Qualität der
künstlerischen Umsetzung das entscheidende Merkmal war.
Nun greift Michel das Motiv des Ikarus
aus der Weimarer Ausstellung auf.
Er
sagt es nicht direkt. Es steckt aber ein Gedanke in den Überlegungen:
Was in den Ländern dieses frühen „Sozialismus“ geschehen war,
war eine Art gesellschaftlicher Ikarus-Flug, zwar mit Absturz, aber
nicht mit Tod am Ende.
Mit
den Aspekten dieses künstlerischen Bildes haben sich Künstler
logischerweise viel beschäftigt, nicht nur, aber auch im Vorgefühl
des Ausgangs dieses ersten Abhebens.
Man
sollte, wenn man sich mit dem Motiv befasst, etwas Wichtiges
beachten:
Entstanden
ist die Ikarus-Geschichte mit ihren möglichen Interpretationen in
einer Zeit, in der sein Tun vermessen, übermütig, vor allem aber
dem „gesunden Menschenverstand“ seiner Zeitgenossen
widersprechend gesehen werden musste. Der Mensch kann nunmal nicht
fliegen.
Inzwischen
kann man dies aber nicht mehr so sagen. Ob wir in ein Flugzeug
steigen, in Drachengleiter, die optisch an Ikarus erinnern, oder in
Raketen, in denen die ganze Erde klein erscheint, … wir haben heute
Grund zur Aussage „Der Mensch kann doch fliegen“.
Wenn
also eine Kunstschau den Abschied von den DDR-Ikarussen zelebriert,
so ist das ein bornierter Kulturpessimismus.
„Der
Mensch“ ist eben doch in der Lage zu einem Sozialismus /
Kommunismus. Der sähe nur etwas anders aus, als man diese
Menschen-Flug-Phase sich zu DDR-Zeiten ausgemalt hat.
Wir
sollten wieder am Bau neuer Schwingen spielen ...
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