Sonntag, 8. Mai 2011

„offen-siv“ - „Für einen gerechten Frieden in Nahost – Existenzrecht für Palästina“


Liebe Irene Eckert,
ja, es hat lange gedauert, bis ich dazu kam, deine oben benannte Schrift in Ruhe zu lesen, und noch etwas Zeit, darauf dies zu formulieren.
Ja, die Ausführungen im Ganzen kann ich voll zur weiteren Debatte empfehlen.
Ja, die von dir begründeten Wertungen zur Politik Israels und dem Umgang damit sowohl durch die offizielle deutsche Politik als auch in Kreisen der assimilierungsbedrohten Linken kann ich zustimmen.
Regelrecht interessant wurde es, als du auf einige besondere Aspekte der Gedankenwelt des so schmählich behandelten Finkelsteins eingingst – nämlich die allmähliche Instrumentalisierung des „Holocaust“ durch konkrete Institutionen. Dort wurde es sachlich konkret in einer Art und Weise, wo Mitdenken angesagt ist.
Erlaube mir bitte, mich hier auf die Aspekte zu konzentrieren, bei denen ich nicht mit deinen Ausführungen bzw. deren Stoßrichtung einverstanden bin.
Schwer wiegend ist dabei das Problem der Geschichte. Ich teile deine Meinung, dass es falsch ist, den Staat Israel und den Staatspolitik gewordenen Zionismus auf die Verbrechen des deutschen Faschismus zu reduzieren. Ich finde auch treffend und richtig, die Politik Kolonial-Großbritanniens gegenüber den Arabern mit ihrem Wunsch nach einer „5. Kolonne“, als die die Siedler wirken könnten, hier ins Licht zu rücken. Für problematisch dagegen halte ich (auch wenn das z. B. Nick Brauns in der jW auch getan hat), das Jahr 1880 und Theodor Herzls „Der Judenstaat“ als wurzellose Geburtsstunde des Zionismus zu beschreiben. Selbst wenn dies von dir nicht beabsichtigt sein sollte, ergibt sich daraus der Schluss, dass die Juden mit ihren Machtfantasien „Schuld“ seien. Wenn du so willst, müsstest du das Alte Testament als Ur-Werk des Judenfaschismus brandmarken, denn es erklärt das Volk Israel zum auserlesenen unter allen Menschen. Dies übersieht, dass solche zu Schrift gewordenen Gedanken aus einer knallharten Lebenswirklichkeit über Jahrhunderte / Jahrtausende erwuchsen. Die Juden der Welt erlebten weltweit immer wieder neu verschieden wüste Pogrome – neben alltäglichen Diskriminierungen – gegen die es eigentlich nur zwei Strategien geben konnte: totale Assimilation, sprich: Selbstaufgabe, oder ein überdurchschnittlicher „bündischer“ Zusammenhalt. Dass sich dabei sicher im Unterbewusstsein viele nach „Palästina“ ziehende Juden wie eine Wiedergeburt derer empfanden, die da einst aus ägyptischer Knechtschaft geflohen waren, sollte zumindest verstanden werden.
Dann mag es für einen Freund der Palästinenser ja peinlich sein, aber es waren reaktionäre arabische Regimes, die die UN-beschlossene Bildung eines Israel-Staates mit Waffengewalt zu verhindern gesucht hatten. Das mindert nicht unsere Pflicht, israelisch-zionistischen Terror zu geißeln, muss aber erwähnt werden. Gerade der ursprüngliche ausgewogen wertende Goldstone-Bericht zum Gaza-Krieg verweigert sich einseitiger Schuldzuweisung, ist aber gerade deshalb so bedrohlich, weil er mit dieser Disposition zu seiner Gesamtbewertung kam, die Israel „nicht passen“ konnte.
Ein endloses Palaver könnte dein Schluss bewirken. So schwer dies mitunter sein kann: Wer nach Lösungen für ein Problem sucht, kann nicht aus der Herleitung eine Schuld alte Ungerechtigkeit durch neue ersetzen wollen. War in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts die Forderung nach bedingungsloser Rückkehr der arabischen Flüchtlinge noch angemessen, so wäre sie heute ein neues Verbrechen: Die Masse dieser heutigen „Flüchtlinge“ hat ihre „Heimat“ nie persönlich gesehen. Dort leben seit Generationen andere (jüdische) Menschen, denen nicht unbedingt eine persönliche Schuld nachzuweisen ist – außer dem Wunsch nach einem besseren Leben. Den frühen Palästinenser-Flüchtlingen über Jahrzehnte keine lebenswerte Zukunft, sondern Lager zu „gönnen“, ist inzwischen nicht allein „Schuld“ des Staates Israel. Die Lösung (?) dieses Problems wäre eine voll gegenseitigen Kompromissen. Wünschenswert schön wäre sicher ein „Groß-Palästina“, in dem alle Religionen und Völkerschaften in Harmonie miteinander leben. Jerusalem als Hauptstadt eines Gebildes, das Muster für das Zusammenleben „der Menschheit“ sein könnte. Aber ist das realistisch? Ist ein Nebeneinander, bei dem der eine nicht die Lebensgrundlage des anderen zu untergraben versucht, nicht das, was real anstrebbar ist? Keinen Zweifel gibt es allerdings daran, dass der Palästinenserstaat kein Sammlung von Bantustans zwischen Mauern sein darf und dass es seitens Israels eine sehr klug ausgewogene Politik im Sinne der legendären Könige David und Salomo bedürfte. ...  

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