Gelegentlich entschuldigt man den Frieden, den viele DDR-Bürger mit dem Staat gemacht hatten, den sie nach heutiger Lesart ja unbedingt ablehnen mussten, damit, dass sie sich „in Nischen“ einrichteten. Stimmt: So könnte man das bei mir ausdrücken. Allerdings hatte mein „Nischendasein“ Formen, die nicht nur ihrer Zeit weit voraus waren, sondern heute schwerer vorstellbar sind.
Klar. Ein Großteil der Voraussetzungen waren Besonderheiten geschuldet. Eine war bereits die räumliche Ausgliederung. Obwohl leitungstechnisch in einem Topf mit der „Kaderabteilung“ (also dem, was heute Personalwesen heißt), waren unsere Arbeitsplätze nicht auf dem Betriebsgebäude, sondern meist in wechselnden Wohnungen untergebracht. Die Kollegen hatten alle gut voreinander abgegrenzte Verantwortungsbereiche. Der Abteilungsleiter verstand sich als ungewöhnliche Auslegung seine Herkunft aus dem abgedienten Offizierskorps der NVA nicht als Kommandeur, sondern als Puffer zwischen verantwortlichen praktischen Einzelkämpfern und vorgesetzten Theoretikern, die viel zu sagen hatten, aber wenig von ihren Angelegenheiten verstanden.
Meine Aufgabe war eine Dienstleistung für das Kombinat (also die organisatorische Zusammenfassung der Betriebe mit zusammen passenden Profil – wobei diese „Definition“ nur dadurch anfechtbar wird, dass ALLE volkseigenen Betriebe einem Kombinat angegliedert waren … und manches passte eben nicht …): Der Außenhandelsbetrieb war zuständig für die gesamte Tätigkeit aller Kombinatsbetriebe im Ausland, wobei für das „nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet“ Sonderbedingungen herrschten. Alle diese „Reise- und Auslandskader“ hatten vor der ersten (und dann rhythmisch) einen allgemeinen Lehrgang zu absolvieren. Was dort Gegenstand sein sollte, war in allgemeinen Ministeriumsplänen (grins) festgehalten. Allerdings war dies genau genommen ein geballtes Gesamtstudium Außenwirtschaft, Weltanschauung und Menschenqualität. Also eigentlich so gefasst, dass irgendwie auf jeden Fall vom großen Plan abgewichen werden musste. Es war den Bedingungen vor Ort überlassen, zu entscheiden, was wirklich gemacht werden konnte. Ich hatte die tatsächlichen Lehrgänge zu planen und diese Planung auch praktisch umzusetzen. Dazu hatte ich freie Hand, woher ich welche freien Dozenten gewann (allerdings im eigenen staatlichen Rahmen. Es wäre wahrscheinlich überhaupt nicht aufgefallen, hätte ich einige Tage nur Privatangelegenheiten erledigt. Da wäre ich eben auf Dozentensuche gewesen.
Erfolg war, wenn die Teilnehmer nicht nur ihre Pflichtwochen abgesessen , sondern etwas zur eigenen Weiterentwicklung mitbekommen hatten. Da durfte man sich schon einiges einfallen lassen. (Jener Abteilungsleiter sorgte dafür, dass nicht allzu ausufernde Kreativität durch die unsere Truppe verlassenden Informationen durchschimmerte.)
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