Donnerstag, 21. April 2011

Mein ganz individueller Kommunismus (12)

Es folgte eine beruflich extrem wilde Zeit. Wenn ich meine sonstigen Möglichkeiten einrechne, wäre ich mit großer Wahrscheinlichkeit in eine heutigen, also „kapitalistischen“ Gesellschaft versumpft. Meinen Lebenslauf hätte ich da wohl entweder fälschen müssen oder akzeptieren müssen, dass ich als unzuverlässig abgestempelt für die meisten Vorstellungsgespräche überhaupt nicht eingeladen worden wäre. Es mag ja sein, dass manches Scheitern auf den ersten Blick nicht als solches erkennbar gewesen war, aber mehrmals brachte ein Scheitern an einem Punkt mich eine Stufe weiter auf der Entwicklungsleiter.
Aber von Anfang an:
Es wäre mir natürlich möglich gewesen, nach Klasse 8 aufs Gymnasium zu wechseln. Diese Einrichtung hatte aber den Ruf, etwas für strebsame Mädchen zu sein. Außerdem hatte ich keinerlei über irgendein Berufsziel – und das meine ich fast uneingeschränkt. Also vielleicht mein Geld mit körperlicher, besonders handwerklicher Arbeit zu verdienen, war NICHT mein Ding. Aber positiv?
So setzte ich, richtiger meine Mutter, das einzige Mal auf „Protektion“: Mein Vater hatte sich also dafür einzusetzen, dass ich einen von drei Ausbildungsplätzen zum „Wirtschaftskaufmann mit Abitur“ bekam. Mutter und Schwester waren Verkäuferinnen, also im Handel, Vater in der Großhandelsgesellschaft „Waren täglicher Bedarf“. Die Ausbildung interessierte mich … durchschnittlich. Ich konnte ja aber nicht nichts machen. Ich war also „untergebracht“. Ich durchlief also die verschiedensten Abteilungen und Bereiche eines Betriebes, der für die gesamte Versorgung Schwerins mit alltäglichen Waren zuständig war. Während der Ausbildung versuchte ich einmal, mich für eine Laufbahn im Bereich der Schreiberei zu bewerben. Das ging natürlich schief. So wurde ich als kleine Sachbearbeiter in der Süßwarenabteilung übernommen. Kein Traumjob, aber zumindest kam ich mit den Kollegen zurecht und die mit mir. Doch das Verderben lauerte schon:
die Einberufung zum Grundwehrdienst bei der „Nationalen Volksarmee“. Um den Rang des „Ehrendienstes“ bei den „bewaffneten Organen“ für Jungen rankten sich viele Legenden. Die wichtigste: Nur wer sich wenigstens freiwillig für drei Jahre verpflichtet, bekommt einen Studienplatz. Ich hatte zwar noch immer keine Vorstellung, was ich eventuell studieren könnte, aber dass ich das irgendwann tun könnte, wollte ich mir nicht verbauen. Also eigentlich begann ich die Dienstzeit mit der Absicht nicht aufzufallen. Anstatt dessen leistete ich mir erst einen kleinen Unfall und sorgte dann mit regelmäßigen Fingern im Rachen dafür, dass ich nach einem halben Jahr sagen konnte, dem Dienst an der Waffe hatte ich mich erfolgreich verweigert. Einziges Problem: Ich war nun ein Jahr zu früh in Freiheit. Der Betrieb musste mich wieder aufnehmen (so war das halt in der DDR), aber der Platz in meiner Abteilung war besetzt. Der einzige freie Platz war … die Kosmetik-Reklamationsabteilung. Immerhin lernte ich dort, dass Haarspray garantiert den Boden pflanzenfrei machen kann. Klar, dass ich so schnell wie möglich irgendwo anders hin wollte. Ich ahnte noch nicht, welche psychischen Schäden die Armeezeit hinterlassen hatte, wie lange die Schreibblockade anhalten würde, also nahm ich noch einen Anlauf in Richtung Schreiben ...

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