Was so gern übersehen wird, ist das Beharrungsbedürfnis normaler Menschen. Das Gehirn des Durchschnittsmenschen widersteht aus Selbsterhaltungskraft dem Druck, ständig neu zu werten. Die Masse an Entscheidungen, die uns das Leben abverlangt (große UND kleine), ist umso leichter zu bewältigen, umso mehr Entscheidungsgrundlagen als gegeben gesehen werden können. Man weiß eben, dass hinter einer Tür mit dem Piktogramm eine stilisierten Frau sich eine Damentoilette befindet und handelt entsprechend. Auch wenn die Zahl der Jeansträgerinnen die der Rockträgerinnen um ein Vielfaches übersteigt, stört sich niemand daran, dass die stilisierte Frau durch einen Rock definiert wird.
Der Verstand spielt nur eine Rolle im Handlungsprozess – und nicht einmal bei „Vernunftfragen“ DIE Hauptrolle.
Man verzeihe mir mein Entsetzen in Anbetracht der 141 Stimmen für die DKP im Bundesland Baden-Würtenberg. Man verzeihe mir die Vermutung, es handelt sich dabei ausschließlich um Angehörige der Gruppe 1 + 3, also um „konservative Überzeugungstäter“, die schon vor 50 Jahren wussten, was die Welt zusammenhält (oder sorgt, dass sie zusammenfällt) und ebenso lange eine schrumpfende Zahl ihrer Kommunikationspartner von ihrer eigenen Weisheit zu überzeugen versucht.
Ja, wozu solche Überlegungen? Müssen wir nicht nach einem Neuanfang fragen? Wer ist dabei der entscheidende Partner? In gewisser Hinsicht machen wir es uns dabei leicht: Brutzeln im eigenen Saft und gelegentlich wie bei ausgewachsener Bulimie Fressattacken, wo wir gleich alles bewältigen wollen. Aber wie wäre es zur Abwechslung mit einer Strategie des Neuaufbaus? Dabei geht es um zwei Gruppen: Die Protestwähler und die Kreativen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Der eine ist der, dass solche Menschen besonders offen sind für ALLES, was neu und anders erscheint. Sie sind also nicht von vornherein gegen rechtes Gedankengut immunisiert. Andererseits fänden sich unter jungen Kreativen viele interessante Menschen, die ansatzweise den Marxismus aus eigenen Flicken neu erfinden würden – natürlich sträubten sie sich mit Händen und Füßen dagegen, in eine solche Ecke gestellt zu werden: Ihnen fehlt überwiegend fundiertes Grundwissen über dialektischen und historischen Materialismus als System und als Methode. Dafür haben sie das Scheitern des realen Anlaufs der Sozialismus-Bewegung in Osteuropa im Unterbewusstsein. Andererseits durchbrechen sie die Logik des Kapitalismus punktuell sogar weit. „Kommunisten“ und „Sozialisten“ erscheinen ihnen „konservativ“.
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