Mittwoch, 16. März 2011

Personenkult und materieller Anreiz (3)

Zum dialektischen Denken gehört u.a., dass jede Bewertung historisch begründet ist, und jedes gleiche Tun unter unterschiedlichen zeitlichen Bedingungen positive oder negative Wirkungen hat.
Wenn also die wesentliche Bewertung überhaupt in Geld erfolgt, dann erscheint jede Bewertung außerhalb des Geldhorizonts als minderwertig. Dessen waren sich die frühen Sowjetkommunisten und ihre Nachahmer zumindest intuitiv bewusst. Sie entschieden sich (teilweise bewusst) für die Übergangslösung der „Überkompensation“. Der negative Ausdruck dafür ist „Personenkult“. Insoweit man das „alte“ Mittel der schnöden materiellen Stimulierung nicht mehr (vollständig) anwenden wollte (und konnte), wird die als lobenswert eingestufte Person „hochgelobt“. In einer Umgebung vorherrschender Marktwirtschaft produzierte das ins Lächerliche gesteigerte Sumpfblüten. In den frühen DDR Jahren Aufgewachsene erinnern sich sicher noch des leeren Stuhls im Präsidium ihrer Jungpionier-Gruppenversammlung, der Genossen Stalin vorbehalten war.
Die Reife der eigenen Gesellschaft lässt einen dann über eigene Jugendsünden lachen. Sie gehen unter. Ohne den Druck des Marktes bleibt das allgemeine Bedürfnis jedes gesellschaftlichen Wesens nach Anerkennung. So, wie der eine sich freut (und dafür weitere Bilder malt), in der Schule seiner Kinder eine Ausstellung zu bekommen, so freut sich ein anderer, auf die Liste derer zu kommen, nach denen eine der Straßen im neu konzipierten Wohnkomplex benannt werden wird, und einem dritten reicht der Applaus für seinen gelungenen Scherz bei der Betriebsversammlung. Das sind verschiedene Ebenen? Natürlich! Aber die Menschen „pflücken“ ihr Glück normalerweise auf verschiedensten, ihnen gemäßen „Ebenen“. Erst die Vergegenständlichung von (von ihrem konkreten Inhalt völlig gelösten) abstrakten Arbeiten in Geld nivelliert die Möglichkeiten persönlicher gesellschaftlicher Anerkennung auf den Besitz von verwertbaren Reichtum..
Damit bestreite ich ja nicht die Notwendigkeit solchen Denkens für die Schaffung der „materiellen Basis“ kommunistischer Verhältnisse. Dann aber entfällt die Notwendigkeit, Dinge miteinander zu vergleichen, die in der konkreten Art, irgendein Bedürfnis zu befriedigen, total verschieden sind.
Wir sind bereits dabei, perverse Disproportionen unbewusst abzunicken: Die eine Frau gönnt einem Sterbenden die letzten zehn glücklichen Minuten seines Lebens, die andere unterschreibt (wenn sie es überhaupt per Hand machte) 50 Kündigungen für „überflüssig“ gewordene Mitarbeiter. Ist die erste eine Verwandte, muss sie die Zeit von „gesellschaftlich anerkannter“ Arbeit abzweigen, macht sie es als Arbeit, bringt ihr das einen Euro netto, womit sie nicht einmal in ein öffentliches Verkehrsmittel einsteigen dürfte, während die zweite als Angestellte sagen wir das Fünffache, als Unternehmerin bin zum Fünftausendfachen „verdient“ haben kann.

2 Kommentare:

  1. den Text, in seiner Verworrenheit, muß ich erst einmal kopieren und mehrmals lesen.
    Ist für mich nicht nachvollziehbar, inwieweit man die Aussprache von 50 Kündigungen und den daraus "erwirtschafteten Gewinn" mit der Anerkennung gleichsetzen, die einem verdienten Menschen widerfährt, der postum mit einer Namensgebung geehrt wird. Selbst wenn diese Namensgebung noch zu Lebzeiten erfolgt - was ich auf jeden Fall ablehnen würde - sind die beiden Fakten nie vergleichbar. Da trift wieder der Satz zu - Vergleiche hinken.
    Ja es ist vollkommen richtig, dass jeder Mensch Anerkennung und Achtung seiner selbst bedarf. Dass er auf Erfolgserlebnisse angewiesen ist und sich nur so positiv entwickeln kann. Ohne Erfolgserlebnisse verkümmert und vergammelt jeder Mensch.
    Was als Erfolgserlebnis gilt - das ist wieder von Gesellschaftsordnungen abhängig. Übrigens noch mal zu dem in diesem Zusammenhang benannten Personenkult. Ich glaube einfach nicht, dass die Menschen die kulthaft verehrt wurden, diesen Kult selbst eingefordert haben. Sie wurden von ihren Anhängern derart hoch eingestuft, dass diese diesen Kult produziert haben. Es ist jedoch darauf zu verweisen, dass sie selbst diesem Kult hätten entgegen stehen können und in eineigen Fällen stehen müssen. Auch hätte es jeweils anderen Menschen bedurft, die diese Situation realistisch betrachten und em Treiben der Arschkriecher entgegen stehen - doch leider gibt es davon nicht all zu viele, die gegen den Strom schwimmen.
    Ich habe mir diese Position mit etwa 12 Jahren erlabt, als die Klassenlehrerin in die Klasse kam und uns aufforderte eine Ulbricht-Ecke einzurichten. Ich habe darauf hingewiesen, dass dies Personenkult sei und das dieser von Kommunisten abzulehnen sei. Nach langen Diskussionen bis hin zu Direktor, seinem Stellvertreter und Sabi-Lehrer, gingen diesen die Argumente aus und wir haben in unserer Klasse keine Ulbricht Ecke eingerichtet. Stolz kann ich heute sagen, hätte es mehr solcher Positionen gegeben, wäre die DDR eventuell nicht den Bach herunter gegangen

    Günther Wassenaar
    POS Krumpa zu der Zeit - etwa 1958..1959

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  2. Der Schluss ist also vollkommen missverständlich.
    Also: "Heute", wollte ich gesagt werden, reduziert sich die "Anerkennung" für einen Menschen darauf, dass er viel Geld "verdient". Ist das schon von vornherein ein wenig pervers vom Wesen her, so ist diese Perversion besonders augenfällig, wenn man den "Wert" von Arbeiten konkret vergleicht, also sieht, dass jemand, der 50 Kündigungen ausspricht, höher schätzt als den, der sich um andere Menschen kümmert ...
    Man würdigt in jeder Gesellschaft so, wie man es versteht. "Personenkult" halte ich also für einen verzerrten Vorgriff auf Zeiten, in denen eine finanzielle "Anerkennung" ihren Sinn verloren haben wird. Dass das eben auch eine Unfähigkeit derer ist, die da ehren wollen ... und überwiegend Arschkriecherei, versteht sich fast von selbst.

    lg
    Slov

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