Montag, 28. Mai 2012

Lateinamerika, Griechenland u.a.


Wir sollten nicht vergesslich sein. Erinnern wir uns, wie wenig Zeit der bürgerlich-demokratisch gewählten Allende-Regierung zum Handeln eingeräumt wurde. Kaum hatte das chilenische Volk gesprochen, schon wurde intensivste Wühlarbeit geleistet, Schwachpunkte der der Kuschel-Marxismus-Regierung gesucht und in der antikommunistischen Grundhaltung des Offizierskorps gefunden. Putschvorbereitung vom Feinsten. Und als ein General so loyal zur gewählten Regierung stand, wie das der treugläubige Allende erwartete, da wurde er vorsorglich ermordet. Es hätte ja sein können, dass Schneider die militärische Verteidigung seiner Regierung gegen ungewählte Putschisten organisiert hätte ...
Im Vergleich hierzu ist die Lebenszeit linker Regierungen im heutigen Lateinamerika verblüffend lange. Eine zutiefst betrübliche Antwort auf die Frage, warum das so ist, gibt ein aktueller jW-Artikel. Ich will ihn nicht widerholen. Er beschäftigt sich mit der rein wirtschaftlichen Seite des Extraktivismus, also der Konzentration der Volkswirtschaften auf Gewinnerwirtschaftung durch reine Vermarktung von Bodenschatz-Gewinnung. Er konstatiert dabei, dass daran nichts geändert wurde, wenn eine "linke" Regierung die "Macht" übernommen hat. Ein wenig Umverteilung der Erträge zugunsten der Armen. Schluss.
Mit der totalen Aburteilung des Extraktivismus bin ich vorsichtiger. Jemand, der über nichts als seinen Körper verfügt, ist ggf. gezwungen, sich zu prostituieren.  Natürlich können die, bei denen er sich prostituiert, grinsend abwarten, dass eben dieser Körper seinen natürlichen Wert verliert, wenn er älter wird, seine "Schönheit" eingebüßt hat.
Das Problem geht nämlich tiefer: 
Bei allen Schwächen, die das damalige nicht-"sozialistische Weltsystem" aufwies, so war es doch als potentieller Partner vorhanden. Es stand nicht nur potentiell zur Verfügung, als Abnehmer für Kupfer o.ä. einzuspringen, es konnte praktische Erfahrungen beim Aufbau und der Absicherung eines geschlossenen Systems vermitteln, mit dem sich Länder, die dies wünschten, aus der Einbindung ins kapitalistische System befreien konnten. Gerade diese Einbindung aber ist das Entscheidende.  Mir sind keine brandaktuellen Zahlen bekannt, aber bspw. das venezolanische Öl landet sicher immer noch überwiegend in den USA. Das wirtschaftliche Agieren des nuesten Glbal Player China ist letztlich ein kapitalistisches.  Nicht umsonst laufen hektische Aktionen, Rahmen für südamerikanische Integration zu erschaffen - wobei sich ALBA als politisch gleich gesinnte Gemeinschaft (halbwegs gleich gesinnt) bisher als nicht ausreichend lebenserhaltend erwiesen hat, man sich in die weltmachtpolitischen Ambitionen Brasiliens eingliedern muss ... hoffend, sich nicht total aufzugeben.
Dass also die euphorisch beschworenen sozialistischen Revolutionen stecken bleiben, zumindest aber extrem langsam verlaufen, hängt mit dem minimalen Spielraum innerhalb einer kapitalistisch globalisierten Weltwirtschaft zusammen. Ohne autarkes Hinterlandsind wirklich eigenständige Entwicklungen schwer, vielleicht fast gar nicht möglich.
Dies ist auch die Ausgangssituation für Griechenland. Der Schrecken einer "Linksregierung" ist nicht total astronomisch, weil sie letztlich die Option einschließt, zum Vollstrecker des Weltkapitalismus zu werden. Wie eine kommunistische (Mit-)Regierung mit dieser Abhängigkeit umginge ... wer weiß.
Ich finde es besonders erschreckend, dass der linksrevolutionäre Aufschwung in Lateinamerika gerade zu einem Zeitpunkt ins Stocken zu kommen scheint, zu dem an anderen Peripheren des Weltimperialismus die Systemfrage gestellt wird, ja, in einigen Zentren veschämte Reorganisationsprozesse einsetzen.
Der Ausstieg aus dem Kapitalismus ist ein Weltprozess. Wenn wir ihn mit der Brille der unmittelbar Beteiligten sehen, verzerrt sich mitunter das Bild. Niederlage und taktisch sinnvolle Reorganisationen sind mitunter schwer zu unterscheiden.Die Nichtexistenz eines auf Sozialismus orientierten Hinterlandes ist unersetzlich - trotzdem muss internationale Solidarität ein Stück "Ersatz" sein. Irgendwie sind wir eben doch Griechen, Hochlandindios, kubanische Ärzte, Antiterrorkämpfer wie die Cuban five ... 

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