Mittwoch, 2. März 2011

Zu Guttenberg und die Stasi


Als ich heute früh ins Internet eintauchte, begegnete mir als erstes eine Spekulation, derzufolge der erkannte Plagiator vielleicht schon in drei Jahren sein Comeback an die Spitze der deutschen Politik feiern könnte. Zum eigenen Entsetzen fand ich diese geistige Spielerei nicht völlig abwegig. Zu den Merkmalen des „modernen“ „Rechtsstaates“ gehört ja, dass mitunter schockierend auf die eigene Tünche verzichtet wird. Vielleicht stürzt Berlusconi doch noch über sein Spiel an den Grenzen der beweisbaren Kriminalität, aber schon die Tatsache, in welchem Umfang er bisher die Rechtfertigungsregelungen des eigenen Systems individuell „interpretieren bis umschreiben konnte, sollte uns zu denken geben. Ungarn geht einen Weg, bei dem bürgerliches Recht und „Diktatur“ miteinander verschwimmen. Warum nicht einen Guttenberg für Deutschland.
Da erlaube ich mir natürlich, die „Stasi“-Debatte aufzukochen. Mir kann dabei sicher nicht vorwerfen, dass ich irgendeine Praxis unter dem Mantel der so betitelten Institution rechtfertigen wollte. Doch nun muss ich mir auch mehrere „Aber“ erlauben dürfen:
  1. Sicher hat es auch unter dem Dach des „Ministeriums für Staatssicherheit“ Menschen gegeben, die „nur ihren Job gemacht haben“, ja auch solche, die ihre randperversen Machtphantasien ausgelebt haben. Das bringt die besonders Schmutz orientierte Tätigkeit von Geheimdiensten so mit sich. Wer also aus diesem Grund zu Recht gegen die „Stasi“ polemisiert, darf KEINEN anderen Geheimdienst ausschließen – vor allem, da die Schweinereien bei vorhandener Macht nicht oder nur zufällig ans Licht kommen, wenn da ein Unschuldiger (!), der Guantanamo durchlief, sich erinnert, dass sich auch deutsche Geheimdienstler an seine Folter erfreuten. Sollte einmal ein neues System die Archive der heutigen Geheimmacht öffnen, das V-Leute-Arsenal offenbar werden, könnte Knabes Hohenschönhausener Horrorschuppen zur Kleinigkeit schrumpfen. (Im Nachhinein erinnert man sich auch leicht verzerrt …)
  2. Im Gegensatz zum Freiherrn zu beziehen sich die Verfolgungen von Menschen im Zusammenhang mit der „Stasi“ meines Wissens nicht auf persönliche Vergehen, sondern Zugehörigkeiten. Dabei wird die in jedem Rechtssystem greifende Verjährung minder schwerer Fälle ebenfalls ausgeklammert.
  3. Zu den Zweifelhaftigkeiten in der Praxis des damaligen Ministeriums gehörte, dass Menschenmassen ihm unterstellt waren, die von der Art ihrer Tätigkeit mit Geheimdienstklischees absolut nichts zu tun hatten. Besonders perfide ist dabei die Zugehörigkeit zum Wachregiment. Menschen lebenslang abzustempeln, weil sie in ihrer Jugend einmal für würdig befunden worden waren, wichtige staatliche Einrichtungen sichtbar zu schützen, man ihnen NUR ein besonderes Verantwortungsbewusstsein zuerkannt hatte, nur weil es die Verantwortung für das jetzt unerwünschte System war, widerspricht der eigenen Selbstrechtfertigungslogik des Systems. Da man bewusst auf das Nichtwissen der manipulierten Massen setzt, zeigt besonders deutlich, dass es NICHT um ein Ministerium geht, sondern eben ein Systemkrieg geführt wird, bei dem in zum Glauben bereiten Köpfen Dinge als gleich suggeriert werden, die nichts Gleiches hatten.
  4. Soll ich einen zu Guttenberg Faschist oder Kriegstreiber nennen? Ich würde das mit dem Faschisten vermeiden. Es wäre aber MINDESTENS nicht weniger gerechtfertigt, als den untergegangenen Realsozialismus mit dem Faschismus direkt oder indirekt auf eine Ebene zu stellen. Und sei es nur, dass aller „Militarismus“ dort einer großen allgemeinen Friedensliebe untergeordnet war, der Kampf gegen die Grundlagen unmenschlicher Beziehungen gerichtet war und nicht gegen die Angehörigen einer Rasse oder Gruppe von Menschen. (Das es hiervon anfangs Abweichungen gab, weiß ich. Aber will man etwa die Studienaussichten von Bourgeoiskindern mit der systematischen Tötung von Juden usw. in einen Topf werfen?) ...

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