Sonntag, 1. Januar 2012

Gedanken zu Gesetzen, nach denen sich Menschen richten, ohne sie aufgeschrieben zu haben (3)

Was es an Entwicklungsgesetzen gibt oder Dialektik ist ein starkes Stück


Nun gibt es grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse, denen zufolge es eine reale tendenziell gerichtete „Entwicklung“ gibt. Damit meine ich nicht den „Marxismus-Leninismus“. Der hat solche Erkenntnisse „nur“ zusammengetragen, zu einem Weltanschauungssystem verdichtet und vor allen Dingen ihre Anwendbarkeit auf die menschliche Gesellschaft dargestellt.
Ich meine hier die Dialektik, die zum einen ein System von Zusammenhängen zu erfassen versucht, zum anderen eine zweckmäßige Methode ist, an die vereinzelten Zusammenhänge heranzukommen.
Wobei … Eigentlich wäre der Marxismus genau das richtige System für denkaktive Menschen. (Dass leider auch Denkfaule mit ihm die Erklärung der Welt kaugerecht in den Mund geschoben bekommen möchten, lassen wir einmal außen vor.) Allerdings ist er natürlich – wie jedes Denksystem – bedroht von verkrustendem Dogmatismus auf der einen und verfälschendem Revisionismus auf der anderen Seite. Dabei muss man den Marxismus als Handwerkszeug verstehen, um die Zusammenhänge in der Welt zu erfassen. Dann kann man sie gestalten, indem man die Bedingungen verändert, unter denen sie wirken. (wie unser Prophet oben.)

In der Vergangenheit wurde häufig „das Kind mit dem Bade ausgeschüttet“. Man bildete sich ein, dass wenn es „objektive Gesetze“ gibt, also Zusammenhänge, die unabhängig von einer bewussten Absicht notwendig und wiederholbar in einer bestimmten Weise auftreten, dann siege der „Fortschritt“ zwangsläufig. Richtig. Es gibt diese Gesetze. Aber sie sind von unterschiedlicher Art. (Und genau das haben auch viele „Marxisten“ übersehen.)

Das Grundgesetz der Dialektik ist (wahrscheinlich) das einzige echte „Universalgesetz“. Es besagt, dass alle Formen der Materie sich in Bewegung, Veränderung befinden, sich nur als „Einheit und Kampf von Gegensätzen“ erklären lassen. Wobei der Ausdruck „Kampf“ missverständlich ist: Er ist nicht so zu verstehen, dass die eine Partei die andere besiegt und dann allein übrig bleibt, sondern so, dass immer neu die Ausgewogenheit sich dabei selbst verändernder und einander bedingender Faktoren eines Ganzen hergestellt wird. Also solche Systeme wie Masse-Energie oder Atomkern-Atomhülle. Beide Seiten der Systeme sind ohne die andere nicht das, was sie sind.

Die zweite Ebene sind „Relativgesetze“. Unser menschliches Problem ist, dass wir alle auftretenden Zusammenhänge unserer Umwelt als solche erfassen möchten, also als eindeutige und wiederholbare Wenn-dann-Beziehungen. Dann sehen sie nämlich herrlich einfach aus. Das Problem dabei ist, dass es zwar eine Unmenge solcher gesetzmäßigen Zusammenhängen gibt, sie aber in den seltensten Fällen für sich allein auftreten. Es gibt also kaum nur ein Wenn-dann, sondern meist daneben noch ein „… und-wenn-dann …“ und ein „...aber-wenn-dann auch ...“.
Die meisten Relativgesetze sind deshalb nur abstrakt erkennbar. Man muss alle Bedingungen, die notwendig sind, damit eine Ausgangslage zu einer konkreten Endlage wird, kennen und von möglichen ablenkenden anderen Beziehungen abstrahieren. Die sind aber eben in der Wirklichkeit immer da. (Das macht mitunter das Lesen mancher Marx-Bücher, an erster Stelle „Das Kapital“, so kompliziert. Es wird dort von einem in der Praxis immer nur komplex auftretenden Vorgang wie einem Tausch jeder Teilvorgang wie „Kauf“ und „Verkauf“ gesondert betrachtet – und die Schlussfolgerungen funktionieren nur, wenn man genau berücksichtigt, welches Teilelement Marx allein für sich betrachtet.)

Die dritte und problematischste Ebene sind die Trendgesetze. Hier bewegen wir uns üblicherweise auf philosophischen Höhen. Mitunter versuchen sich auch andere Teilwissenschaften (wie die Psychologie) daran. Solche Trendgesetze versuchen in komplexe Zusammenhänge als Ganzes „gesetzmäßige Ordnung“ zu bringen.
In der Dialektik sind das zum Beispiel das Gesetz der „Negation der Negation“ und das vom „Umschlagen von Quantität in eine höhere Qualität“, letztlich also die Behauptung einer Entwicklungsrichtung vom „Niederen“ zum „Höheren“. Prinzipiell sind auch das alles „objektive Gesetze“. Im Gegensatz zur Universalität aller Bewegung ist die Erkennbarkeit dieser Gesetze aber immer an Bedingungen gebunden. Sie beschreiben komplexe Zusammenhänge als Ganzes – wohl wissend, dass sich verschieden gerichtete Trends überlagern und teilweise, also im Einzelfall, aufheben (können). Erst „letzten (!) Endes“ setzt sich der Trend durch. (Im Gegensatz zur Chaostheorie, die meint, solche Trendbewegungen heben sich als Ganzes letztlich alle gegenseitig auf.)


Dies ist nur ein Stück aus dem Kapitel im Buchentwurf für "Komodo - Kommunismus ohne Dogmen". Das ganze Kapitel befindet sich H I E R )

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