Ein Sonderfall des Lebens unter kommunistischen Verhältnissen ist deshalb alles, was mit dem Begriff „Gewalt“ verbunden ist – aber es ist eben nicht restlos verschwunden. Widersprüche und Unzufriedenheiten sind ja nicht per se etwas Negatives. Erst wenn „man“ etwas als störend empfindet, geht man die Lösung des Problems an. Das schließt ein, dass man im Weg und im Ziel irrt. Sofern du diesen Begriff auf Kriege beschränkst, also auf Kriegshandlungen, Staatsterrorismus in engem oder weitem Sinn und Handlungen einzelner Menschen, die daraus direkt abzuleiten sind (zum Beispiel sadistische Folterexzesse), so gibt es sie natürlich nicht mehr. Das allein sollte vielen als Argument für eine solche Gesellschaft schon ausreichen.
Ich glaube auch an eine extreme Minimierung bei indirekten Gewalthandlungen. Die sind natürlich schwerer abzugrenzen. Aber ich halte einen sozial Hoffnungslosen für tendenziell eher gewaltbereit als jemanden, der um genug andere Möglichkeiten weiß sich auszuleben. Da es im Kommunismus aber keine soziale Ausgrenzung in großem Maßstab gibt (und überwiegend überall jeder „Migrant“ ist), existiert kein Nährboden für daraus erwachsende individuelle Gewalt – also ist eine Institution überflüssig, die solche Gewalt den Normen einer Staatsmacht unterwirft.
Der Anfang der ganzen Kette liegt darin, dass es keinen Besitz als hierarchisch konstituierende Größe mehr gibt. Verstehst du: Niemand ist mehr „wert“, weil er mehr hat. Keine Gruppe besitzt „Produktionsmittel“ (Mittel überhaupt), mit der sie eine andere ökonomisch dazu zwingen könnte, für sie zu arbeiten. Es kann sogar jeder die Dinge / „Güter“, über die er unmittelbar verfügen will, von der Gemeinschaft anfordern, sie technisch bestellen und – von den beschränkt vorhandenen „Originalen“ einmal abgesehen – auch erhalten. Jeder kann sich also materiell so als Persönlichkeit entfalten, wie er dies für angemessen erachtet, sofern er andere Persönlichkeiten damit nicht beschränkt.
Die Wahrscheinlichkeit von Diebstählen ist also gering – demzufolge –auch die Notwendigkeit, Menschen mit deren Verfolgung zu betrauen. Selbst ganz individuelle Verbrechen haben einen wesentlich kleineren Nährboden. Es verändert langfristig die Persönlichkeit, wenn das gesellschaftliche Phänomen, dass andere etwas besitzen, was man gern hätte und nicht haben kann, einfach nicht mehr existiert. Und es verändert die Beziehung zwischen Menschen langfristig einschneidend, wenn es keine materiellen Abhängigkeiten mehr gibt. Der seinen Partner Prügelnde kann eben heute grinsend sagen, „Geh doch!“, weil er genau weiß, dass der (die) so Angesprochene dann mit leeren Händen dasteht. Diese Sicherheit der Macht löst sich in Nichts auf, wenn der (die) so Angesprochene um den Neuanfang in gleichwertiger neuer Situation weiß … ohne prügelnden Partner. Und wer von einer Arbeit nach Hause kommt, die ihn mindestens nervlich total ausgelaugt hat, hat es schwerer, sich angemessen Partner und Kindern gegenüber zu verhalten als jemand, der durchschnittlich befriedigt in die private Tageszeit übergeht.
Also in gesellschaftlicher Hinsicht ein Paradies – und zwar insbesondere für die heute sozial Benachteiligten. Aber eben nur in gesellschaftlicher Sicht …
Dies ist nur ein Stück aus dem Arbeitskapitel im Buchentwurf für "Komodo - Kommunismus ohne Dogmen". Das ganze Kapitel befindet sich H I E R ) .
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