Wer
von „Kapitalismus“ spricht, hat sogar heute noch – und sei es
durch die Mainstream-Medien befördert – das Bild des
„Unternehmers“ vor Augen. Eben solche Leute wie Anton Schlecker,
die Albrechts, die Springers … oder Bill Gates. Klar. Die gibt es.
Und am Beispiel Gates sieht man, dass sogar gelegentlich noch welche
neu dazu kommen. Trotzdem sind es Fossilien, Auslaufmodelle. An ihre
Stelle hat sich schleichend „das Kapital“ geschlichen – und
zwar in makaber abstrakter Form.
Zuerst
kam von etwa 150 Jahren die Welt der Aktiengesellschaften auf. Hier
wurde von den „Unternehmern“ kleines Geld eingesammelt und in ihr
„Kapital“ verwandelt. Hein Blöd konnte sich also im Besitz einer
Aktie wie ein Kapitalist fühlen, weil er ja sogar Dividende
ausgeschüttet bekam und er an der Eigentümerversammlung teilnehmen
konnte. Praktisch blieb die Entscheidungsgewalt über das praktische
Wirken der Kapitalmasse, also das Unternehmen beim herausgebenden
Unternehmer (Emittenten).
Wie
gesagt, die ursprünglichen Formen sind alle noch vorhanden. Sie
wurden in ihrer Bedeutung nur von neuen abgelöst.
In der
Form der praktischen Gestaltung der Aktiengesellschaften lag aber
bereits der befruchtete Kern einer Verschiebung: Die praktisch
Handelnden waren nämlich nicht die ursprünglichen Unternehmer, die
ihr Unternehmen handlungsfähiger machen wollten, sondern die Banken,
die den Emissionsvorgang abwickelten. Was da in wenigen Jahrzehnten
geschah, wurde von Marxisten treffend analysiert und in Lenins „Der
Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ zu einem
Gesamtbild verallgemeinert. Bank- und Industriekapital verschmolzen
zum Finanzkapital, dessen Ziel ein einfacher war: mehr Profit …
womit auch immer. (Der vorige Industriekapitalist musste dieses Ziel
mit seinem Vermögen, sein Produktion gut zu organisieren verbinden.
Der Finanzkapitalist erreichte neue Profite auch allein durch seine
Größe, weil die ihm Erpressungs- und Wanderungspotential bot.)
Schon
hier beschleunigten die Hein Blöds die Machtverschiebung zu Gunsten
des „reinen“ Kapitals. Ihre kleinen Anteile lagerten nämlich bei
der Emissionsbank, die das Stimmrecht für die Kleinen ausübte, wenn
diese nicht widersprachen. Praktisch half also der Besitzer einer
Mitarbeiteraktie einer Bank, ihn an seinem Arbeitsplatz, ja sogar
über den Verlust seines Arbeitsplatzes auszubeuten … und er freute
sich noch darüber.
Die
Geschwindigkeit der Konzentration begann das Gesamtsystem zu
bedrohen. Lenin beschäftigte sich auch mit der Frage, ob sich ein
Ultraimperialismus herausbilden würde, also eine Konzentration in
Richtung einer übergroßen Unternehmung, die dann besonders leicht
zu vergesellschaften wäre. Er bestritt das in erster Linie wegen der
ungleichen Entwicklung der Wirtschaften. Ergänzt werden sollte, dass
natürlich das „virtuelle Gesamtkapital“ sich Institutionen zum
eigenen Überleben schafft. Ein Monster vom Schlage der IG Farben
steht dem Wesen des Kapitalismus, sich beständig auszubreiten nach
innen im Wege und führt nach außen „selbstmörderisch“
mörderische Kriege. Es entstand also ein „Ergänzungskapitalismus“,
der den großen Kapitalien ihre Verwertung verbesserte:
formaljuristisch selbständig Sparten und Randgebiete ausfüllend,
indirekte Opfer der formal nicht existierenden Kartelle – die
Ausbeutung der eigenen Mitarbeiter reichte nicht aus.
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