Montag, 9. April 2012

Die Welt in ihren Klauen (1)




Wer von „Kapitalismus“ spricht, hat sogar heute noch – und sei es durch die Mainstream-Medien befördert – das Bild des „Unternehmers“ vor Augen. Eben solche Leute wie Anton Schlecker, die Albrechts, die Springers … oder Bill Gates. Klar. Die gibt es. Und am Beispiel Gates sieht man, dass sogar gelegentlich noch welche neu dazu kommen. Trotzdem sind es Fossilien, Auslaufmodelle. An ihre Stelle hat sich schleichend „das Kapital“ geschlichen – und zwar in makaber abstrakter Form.
Zuerst kam von etwa 150 Jahren die Welt der Aktiengesellschaften auf. Hier wurde von den „Unternehmern“ kleines Geld eingesammelt und in ihr „Kapital“ verwandelt. Hein Blöd konnte sich also im Besitz einer Aktie wie ein Kapitalist fühlen, weil er ja sogar Dividende ausgeschüttet bekam und er an der Eigentümerversammlung teilnehmen konnte. Praktisch blieb die Entscheidungsgewalt über das praktische Wirken der Kapitalmasse, also das Unternehmen beim herausgebenden Unternehmer (Emittenten).
Wie gesagt, die ursprünglichen Formen sind alle noch vorhanden. Sie wurden in ihrer Bedeutung nur von neuen abgelöst.
In der Form der praktischen Gestaltung der Aktiengesellschaften lag aber bereits der befruchtete Kern einer Verschiebung: Die praktisch Handelnden waren nämlich nicht die ursprünglichen Unternehmer, die ihr Unternehmen handlungsfähiger machen wollten, sondern die Banken, die den Emissionsvorgang abwickelten. Was da in wenigen Jahrzehnten geschah, wurde von Marxisten treffend analysiert und in Lenins „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ zu einem Gesamtbild verallgemeinert. Bank- und Industriekapital verschmolzen zum Finanzkapital, dessen Ziel ein einfacher war: mehr Profit … womit auch immer. (Der vorige Industriekapitalist musste dieses Ziel mit seinem Vermögen, sein Produktion gut zu organisieren verbinden. Der Finanzkapitalist erreichte neue Profite auch allein durch seine Größe, weil die ihm Erpressungs- und Wanderungspotential bot.)
Schon hier beschleunigten die Hein Blöds die Machtverschiebung zu Gunsten des „reinen“ Kapitals. Ihre kleinen Anteile lagerten nämlich bei der Emissionsbank, die das Stimmrecht für die Kleinen ausübte, wenn diese nicht widersprachen. Praktisch half also der Besitzer einer Mitarbeiteraktie einer Bank, ihn an seinem Arbeitsplatz, ja sogar über den Verlust seines Arbeitsplatzes auszubeuten … und er freute sich noch darüber.
Die Geschwindigkeit der Konzentration begann das Gesamtsystem zu bedrohen. Lenin beschäftigte sich auch mit der Frage, ob sich ein Ultraimperialismus herausbilden würde, also eine Konzentration in Richtung einer übergroßen Unternehmung, die dann besonders leicht zu vergesellschaften wäre. Er bestritt das in erster Linie wegen der ungleichen Entwicklung der Wirtschaften. Ergänzt werden sollte, dass natürlich das „virtuelle Gesamtkapital“ sich Institutionen zum eigenen Überleben schafft. Ein Monster vom Schlage der IG Farben steht dem Wesen des Kapitalismus, sich beständig auszubreiten nach innen im Wege und führt nach außen „selbstmörderisch“ mörderische Kriege. Es entstand also ein „Ergänzungskapitalismus“, der den großen Kapitalien ihre Verwertung verbesserte: formaljuristisch selbständig Sparten und Randgebiete ausfüllend, indirekte Opfer der formal nicht existierenden Kartelle – die Ausbeutung der eigenen Mitarbeiter reichte nicht aus.

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