Samstag, 12. November 2011

Ist Deutschland ein Land der "Penner"? Oder brauchen wir "nur" eine Camila Vallejo?

Die "junge Welt" bietet auf Seite 8 dieser WE-Ausgabe vom 12./13. November 2011 ein deprimierendes Inverview unter den Überschriften "Herbste sind normalerweise nicht sehr heiß - Am Donnerstag gibt es wieder einen bundesweiten Bildungsstreik. Beteiligung wird wohl eher gering sein."
Schon die Überschrift ist "wohl eher" wenig motivierend. Das ganze Interview legt mehrere Schlüsse nahe: Der hier beschriebenen Jugend geht ihre Bildung, also letztlich ihre Entwicklung als Persönlichkeit, ziemlich am Arsch vorbei. Ob nun so oder so ... ist doch eigentlich egal. Dazu kommt, dass der Interviewte sich "wohl eher" damit abgefunden hat. Also selbst der Aspekt, sich mit der gelungenen Organisation relevanter Proteste als geeignete Führungsperson selbst in Szene setzen zu können, scheint einem achselzuckenden Defätismus gewichen zu sein. Wozu dann überhaupt noch was unternehmen?!
Nun ist die "Klassenkampflage" der Unterdrückten in Deutschland besonders mies. Die Zahl der Menschen, die sich selbst als relevante Gruppe annimmt, also als "Klasse für sich" wie das einst hieß, ist marginalisiert klein.
Trotzdem: Die Situation in Chile zeigt, dass auch solch unterschätztes Lebensfeld wie die Bildung zu einer gesamtgesellschaftlich relevanten Mobilisierung führen kann. Das hat allerdings mehrere Voraussetzungen:
1. Auch auf die Gefahr hin, dass eine eingegrenzte Führung gezielter korrumpierbar ist, ist eine selbstbewusste Führung erforderlich. Gerade in schwierigen Kämpfen geht es weder ohne funktionierende Strukturen noch ohne "Leuchttürme" an denen sich verunsicherte Massen orientieren können. Und "man" geht natürlich eher in den "Kampf", wenn man mindestens fühlt, dass man mit dem (der / denen) an der Spitze auch gewinnen kann.
2. Die Bewegung muss ihre Position innerhalb der gesamten gesellschaftlichen Entwicklung positiv ausjustieren können. Also kann "man" rüberbringen, dass das eigene Teilziel auch im Interesse einer tatsächlichen Mehrheit der Bevölkerung ist? Steht das eigene Teilziel klar im Umfeld einer gesellschaftlichen Gesamtkonzeption? Also ein Kampf um Arbeitszeitverkürzung funktioniert fast nur unter der Einordnung in einen Kampf um eine vergesellschaftete Wirtschaft. Selbst wenn der einzelne Kampf nicht zum Sozialismus führt, so ist die Drohung damit ein Argument für "unternehmerische Kompromissbereitschaft".
3. Der zweiten Voraussetzung ähnlich ist das Wechselspiel aus eigenem Durchhaltevermögen und Einbindung in ein Geflecht von Bündnispartnern. Natürlich ist auch Muskelspiel nötig, also das Austesten, wie viele "Kämpfer" man mobilisieren kann. Aber das ist natürlich kein Kampf. Seine Reihen am Samstag abzuzählen bringt denen nur ein verdorbenes Wochenende. Spätestens beim dritten Mal ist ein gefrustetes Daheimbleiben eigentlich vernünftig. Deshalb haben frühere Strategen der Arbeiterbewegung immer auf Übergangsprogramme vor der Umsetzung ihres Gesamtziels geachtet. Und das können durchaus kleine Sachen sein, die erkämpft worden wären. Es muss der anderen Seite irgendwie auch weh tun. Also die Umzingelung des Reichstages ist eine schöne Idee. Aber sie müsste lange durchgehalten werden. Man brauchte ja die Abgeordneten nicht am Zugang zum Parlament (oder die Banke in ihren Machtbereich) nicht ganz zu hindern. Es reichte ja schon, die Volks-"Vertreter" bewusst nur durchzulassen. ...
Camila Vallejo ist eine akzeptable Kombination dieser Gedanken für eine Studentenführerin. Sie hat Charisma, also sie scheut sich nicht, zusammenhängende Sätze ihrer Weltanschauung in verschiedenartige Mikrofone zu sprechen. Sie hat ein selbstbewusstes aber angenehmes Auftreten, verleugnet also auch nicht, dass sie eine Frau ist, mit der Mann etwas zu tun haben möchte. Sie leugnet aber auch nicht, dass sie bei allem eigenen hübschen Kopf kommunistischen Gesellschaftsvorstellungen gegenüber aufgeschlossen ist. Ob sie das einmal zur jüngsten Präsidentin der modernen Welt machen wird, steht auf einem ganz anderen Blatt. Dass sie entsprechend modernen Erfordernissen zumindest vorübergehend die organisationsstarke Bildungsgemeinde in eine kampffähige "Arbeiterklasse" einzubauen, lässt sie bereits heute zu einer Lichtgestalt werden.
Möge sie uns vor den Anschlägen einschlägiger Geheimdienste bewahrt bleiben. Möge sie als Beweis, was man als 23jährige bereits erreichen kann, zum Vorbild kreativer junger Köpfe werden. Die Welt hat sie bitter nötig. ...

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