Dienstag, 15. November 2011

Zu Zufällen in der Geschichte ...

Es lohnt sich für jedermann, Friedrich Engels´ "Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates" zu lesen. Trotzdem kann man einen Gedanken ergänzen: Aller früher menschlicher Fortschritt beruhte im Einzelnen auf Zufällen. Niemand wird also bewusst geforscht haben, wie das Feuer nutzbar gemacht werden könnte. Das erste geröstete Wild dürfte eine "Entdeckung" gewesen sein. Selbst Errungenschaften wie die Zweifelderwirtschaft könnten einer rein zufälligen Beobachtung entsprungen sein: Obwohl man so mühsam und gründlich sein Feld reaktiviert hatte, wuchs das Getreide am Rand besser. Manche solcher Zufälle gingen dann in Mythen und Riten ein. Insgesamt aber lassen sich über einen langen Zeitraum Gesetzmäßigkeiten nachvollziehen, die zur Entstehung der Klassengesellschaften führten, und aus denen Marx das Grundgesetz aller gesellschaftlichen Entwicklung herausfilterte: die Produktionsverhältnisse sind der Rahmen, innerhalb dessen sich die Produktivkräfte entwickeln - von diesen "erschaffen" und durch diese gesprengt, wenn sie als Rahmen hinderlich werden. Es hat mit Sicherheit unzählige "Verstöße" gegen dieses "Gesetz" gegeben.  Sie sind aber unterschiedlich schnell untergegangen. Bei den erhalten gebliebenen Gesellschaften ist dann nur noch der im Wesentlichen siegreiche gesetzmäßige Verlauf der Geschichte übrig.
Selbst zu Beginn der "Neuzeit" schlugen im Einzelnen Zufälle dem tatsächlichen Geschichtsverlauf ihre Breschen: So kann man es in Mitteleuropa als Zufall ansehen, dass ausgerechnet bei Weingarten kein kampfesmutiger oder von allgemeinen Idealen Beseelter die Bauernhaufen führte. Über beides verfügten die Bauern. Bei dieser ersten Gelegenheit und der, bei der die militärische Wahrscheinlichkeit eines Sieges der Bauern am  größten war, trafen drei Zögerliche auf den Truchseß, der sie heim schickte.  Diese eine Schlacht hätte gereicht nicht nur für einen anderen Verlauf des ganzen Bauernkrieges selbst, sondern es wäre auch nicht zu DEM 30jährigen Krieg gekommen bis hin zur Geschichte Preußen-Deutschlands.
Oder Kolumbus oder Cortez. Warum sind ihre Schiffe nicht in den Unsicherheiten der Stürme untergegangen? Trotz der Hilfe der Tolteken gab es Augenblicke, da war der Untergang der Conquistadoren wesentlich wahrscheinlicher als ihre strahlende Heimkehr als "Goldmarie". Das Scheitern eine dieser beiden Unternehmungen hätte auf Dauer nicht die Entdeckung und "Integration" Amerikas in die "Weltwirtschaft" verhindert. Sie hätten aber diese Abläufe um Jahrzehnte verschoben. Es wäre vieles anders verlaufen. Die Träger von Reichtum und "Kapitalismus" wären u.U. andere gewesen ... Aber daran, dass sich die kapitalistische Produktionsweise durchgesetzt hätte, brauchen wir nicht zu zweifeln.
Ähnlich ist dies mit der Entwicklung in Richtung "Kommunismus". Allerdings sollten wir eines beachten: Das Aufblühen relativ fortschrittlicher Gesellschaften war immer mit dem Untergang anderer Gesellschaften verbunden, die es nicht geschafft hatten. Nur ganz spielerisch greife ich da die Masse an Indianervölker heraus, die es teilweise gar nicht mehr gibt oder als degenerierte Reste. (Man frage einfach, wie viele Europäer von der Kultur der Seminolen wissen.) Die relative Begrenztheit der Produktivkräfte im engeren wie weiteren Sinn begrenzte auch den jeweiligen Schaden. Die Pestdecken vernichteten im Wesentlichen den Zielstamm. Die Büffeljagd per Eisenbahn vernichtete "nur" die Lebensgrundlage der reitenden Jägervölker dort. Der Grad der Globalisierung heute erschwert diese räumliche Schadensbegrenzung. Das CO2 aus Europa wirkt mit am dauerhaften Untergang von Südseeinseln und Kalkutta.
Es nutzt uns also nichts, darum zu wissen, dass sich prinzipiell der Fortschritt durchsetzt. Ohne es zu merken könnten WIR vorher ein solches ausgestorbenes Indianervolk geworden sein. Und die Wahrscheinlichkeit, dass mit diesem WIR die ganze Menschheit gemeint sein könnte, steigt von Jahr zu Jahr ...

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