Samstag, 28. Januar 2012

Sagt man nun "Diese Gesellschaft kotzt mich an" oder doch "Klassenkampf"? (1)

Einer der missverständlichsten Ausdrücke so richtig überzeugter Linker ist „Klassenkampf“. Das Wort als solches ruft nämlich bei den meisten Assoziationen hervor, die sie in die Irre führen. Es klingt, als stünde auf der einen Seite die eine Klasse und auf der anderen die andere und dann kämpften sie gegeneinander. Demzufolge gäbe es keinen Klassenkampf, wenn die „Klassen“ entweder nicht mehr existierten bzw. existieren wollten oder wenn sie nicht mehr gegeneinander kämpfen wollten. Zumindest die beiden letzten Varianten sind aber unzutreffend. Ja, das Bestreiten des „Klassenkampfes“ selbst ist eine Form des Klassenkampfes.
Insofern stecken unzählige Probleme in dem Ausdruck. Die beginnen schon mit der Frage von Klassen. Harte Marxisten bemühen sich darum, die nötige Hegemonie einer sogenannten Arbeiterklasse bei der Überwindung der kapitalistischen Verhältnisse zu beweisen, in der Hoffnung, so bei Marx zu bleiben. Dabei sagt der Ausdruck „Klasse“ nur, dass es bestimmte vom persönlichen Wollen der Betroffenen unabhängige Sachverhalte gibt, die einer großen / bedeutenden Gruppe von Menschen gemein ist, die für diese Menschen gleiche Interessen reproduziert / natürlich erscheinen lässt. Welche dies im Einzelnen sind, halte ich für umstritten. Die Stellung im Produktionsprozess gehört aber immer dazu. (Als Beispiel diene die Bauernklasse: Viele Bauernaufstände scheiterten an der Jahreszeit. Die Bewaffneten sorgten sich einfach, dass ihr Stück Land unbewirtschaftet blieb, Anbau-, Erntezeit bevorstand oder ihre Felder vertrocknen konnten. Dieses Problem tritt zurück sowohl bei Landarbeitern, weil es nicht ihr Land ist, und bei Großgrundbesitzern, weil sie sowieso alles durch Andere machen lassen, die dazu bewegt werden müssen.) Dabei gibt es auch subjektiver wirkende Kriterien. Das ist z.B. die Höhe des Anteils am gesellschaftlichen Reichtum. Während Besitz an Produktionsmitteln und das Überwiegen der Einkünfte, die aus der Aneignung des von fremder Arbeit geschaffenen Mehrwerts erwachsen, mathematisch und formal bestimmbar ist, gibt es kein Maß, wie viele Brosamen des Gesamtprodukts erforderlich sind, damit jemand dauerhaft bestreiten wird, zu einer ausgebeuteten Klasse zu gehören. Insofern gibt es zwischen den Hauptklassen immer unterschiedlich große Zwischenschichten. Einen Manager mit Millionengehalt zu den „Arbeitern“ zu zählen ist etwas komisch, aber ab wie vielen Aktienanteilen an der eigenen Firma versteht der tatsächliche Arbeiter noch, dass er „nichts“ besitzt und demzufolge zu verlieren hat? Ganz abgesehen von juristisch irreführenden Stellungen – also „Scheinselbständigen“, die als sich selbst zusätzlich ausbeutende nicht angestellte Angestellte, deren Einkommen breit gespreizt ist und „allein von ihrer eigenen Leistung abhängig“ zu sein scheint.
Wo finden alle diese Menschengruppen ihren Platz? Hat die imperialistische Strategie, den Nichtkapitalisten die Reinheit ihrer objektiven Interessen zu zerstören, dauerhaft Erfolg? Man bedenke, dass der deutsche Arbeiter zu Marx´ Zeiten wirklich nichts zu verlieren hatte, weil er nichts besaß, dann aber neu erfunden wurde mit Rentenansprüchen und Bausparverträgen … und zu großen Teilen zum „Kleinbürger“ mutierte. Eigentlich eine Klasse an und für sich.

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