Mittwoch, 15. August 2012

Vom Sinn von Aktivität, wenn kein Sieg in Sicht ist ...


Letzte Woche wurde ich angerufen, ob ich zur Friedensmahnwache am ersten Samstag des Monats, 11 bis 12 Uhr unter der Weltzeituhr kommen könne. Seit dem Jugoslawienkrieg steht mit penetranter Beharrlichkeit eine Mahnwache vor der Galeria Kaufhof am Alexanderplatz - jeden Montag ein Häuflein Aufrechter der „Mütter gegen den Krieg Berlin-Brandenburg“, seit dem Libyen-Krieg zusätzlich eben die monatliche „fünf vor zwölf“-Mahnwache.
Immer nur wenige, einander ablösende Leute, gelegentlich durch Gedichte und so aufgelockert.
Die Massen strömen voll Angst vorbei, sie könnten persönlich angesprochen werden …
Rein gefühlsmäßig halte ich die weltweiten Massendemonstrationen der Millionen vor der Irak-Invasion für die Psycho-Katastrophe der Friedensbewegung. Der Bush-Krieg begann unbeeindruckt von den ablehnenden Massen. Danach kamen trotz stiller Kriegsablehnung zumindest in Deutschland nie mehr wesentliche Massen  zusammen.
Es ändert ja doch nichts.
So gesehen sind solche Mahnwachen (wie auch die Montagsdemoüberreste u.ä.) nur lächerlich.
Doch in Zeiten de Ego-Trips haben sie trotzdem eine Bedeutung: 70 Prozent der Deutschen sind gegen Auslands“einsätze“. Eigentlich müsste jeder von ihnen ein schlechtes Gewissen haben. So klein sein Beitrag auch sein mag – jeder, der nicht irgendetwas aktiv für seine menschliche Meinung getan hat, ist mitschuldig an der Kriegstoten und -versehrten … und auch, wenn es keine „Deutschen“ sind, so sind es doch Menschen. Wer wenigstens einmal mitdemonstriert hat, kann sich damit reinwaschen: Wenn ich es auch nicht verhindern konnte, so habe ich es doch wenigstens versucht.
Irgendwelche tanzenden Jugendlichen, die damit „christliche Werte“ zu verbreiten versuchten, versuchten ein hübsches Sinn-Spiel: Jeder der Tanzenden holt einen am Rande Stehenden zum Tanz in den Kreis und immer so weiter …
Heutzutage haben Kriege eine „schleichende Komponente“ hinzugewonnen. Im Wesentlichen wurde vor Hiroshima eine bestimmbare Menge Menschen getötet und verletzt. Danach hatte die Zeit der Erbschäden begonnen. Noch immer werden in Vietnam Opfer des Entlaubungskrieges geboren. Jeder Schuss „abgereicherter Uranmunition“ setzt minimale Menge Staub frei – mit tausenden Jahren Halbwertzeit. Menschen, die nie an irgendwelchen Kampfhandlungen beteiligt waren, führen ahnungslos jeden beendeten Krieg weiter. Und wir führen uns weiter auf, als lebten wir noch immer im Gladiatorenzeitalter …
Ein überraschendes und berührendes Erlebnis brachte die Mahnwache auch: Ein Syrer mit Begleitung kam auf uns zu, las unsere Transparente, dankte uns herzlich und konnte nur mühsam seine Tränen unterdrücken. Er wusste aus erster Hand, dass ohne NATO und internationalem Kapital die Seinen zu Hause friedlich arbeiten könnten und ihre Probleme unter sich gelöst hätten. Nun lebt er in Angst um die Zurückgebliebenen.
Ich gebe zu, ich hatte medienmanipuliert eher damit gerechnet, dass sich gerade Exilsyrer eine „Befreiung“ von Assad wünschten. Aber bedenken wir immer, wie Meinungen gemacht werden: Es wird gezeigt, was ein erwünschte Bild stärkt. So wird auch von Syrien gezeigt und gemeldet, was gutgläubige Menschen sehen und glauben sollen.
Am Montagmorgen mahnte die Hiroshima-Glocke wieder: Jetzt sind es 67 Jahre, seit die Menschheit den Beweis angetreten hat, dass sie sich selbst zerstören kann. Es ist eine Frage der Würde jedes einzelnen Menschen, gelegentlich öffentlich zu zeigen, dass er dies nicht widerstandslos über sich ergehen lässt.

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