Montag, 15. Oktober 2012

Vorsicht Demokratie! Einige Gedanken zum häufigsten künstlichen Geschmacksverstärker in der Politik (2)


Etwas logisch zwingend zu definieren ist mitunter wesentlich komplizierter als es auf den ersten Blick scheint. Nehmen wir das am häufigsten gebrauchte Indiz, woran man „Demokratien“ erkennen kann: Die Möglichkeit aller Menschen eines Staatsvolkes, aus Alternativen zu wählen.
Nun ist es natürlich schon gewagt, an einem Kreuz, das alle vier Jahre gesetzt werden kann, ablesen zu wollen, ob ein Land demokratisch regiert wird oder nicht. Nehmen wir das aber einmal als gesetzt an.
In der DDR hatten die Bürger praktisch „die Wahl“, entweder die Kandidaten der Nationalen Front zu bestätigen oder sie auf dem Wahlzettel abzulehnen ... oder sie durch Wahlverweigerung abzulehnen. Der letztgenannte Fall hatte mindestens moralische Missbilligung zur Folge, er wurde allerdings häufig zur Nötigung des Staates benutzt, also durch Kopplung unmittelbarer persönlicher Interessen mit dem Wahlakt. (im Sinne von: Wenn ich zur Wahl gehen soll, dann möchte ich dafür eine Neubauwohnung.) Das war also die undemokratische Wahl-Variante. Zum Verständnis: Die „Nationale Front“ bestand aus 5 Parteien, von denen sich zwei selbst „demokratisch“ nannten, und Massenorganisationen, die die Sitzverteilung in der Volkskammer vor der Wahl aufgeteilt hatten.

Formal besteht diese vorausgegangene Sitzaufteilung in bürgerlich-demokratischen Parlamenten nicht. Der Bürger kann also unter alternativen Buchstabenkombinationen für verschiedene Parteinamen wählen. Praktisch entsteht die „Nationale Front“ nachher. Hauptursache ist der Entfärbungsprozess der Sozialdemokratie. Der begann in Deutschland mit dem Eintritt ihrer Partei in die Kriegsallianz 1914 und endete mit der Schröder-Regierung. Mit letzterer wurde der Angleichungsprozess vollendet: Es gibt inzwischen keine Regierungsentscheidung mehr, die nicht von der jeweiligen Wahl-Alternative auch hätte durchgeführt werden können oder deren Konzept entsprochen hätte. Dafür übernimmt die andere Partei Ideen der ersteren, sobald sie auf der Oppositionsspiel-Bank sitzt. Natürlich führt auch die aktuelle „christliche“ Partei genau die Maßnahmen durch, für deren Verhinderung sie ursprünglich gewählt worden ist. Wie sollte man es nennen, wenn die jeweilige „Opposition“ in der „Regierungsverantwortung“ das macht, wogegen sie vorher aufgetreten ist und was zu ändern sie gewählt wurde?
Eine tatsächliche Wahl bleibt dem Wähler nur noch zwischen Gesichter-Gemeinschaften. Oder man verweigert sich dem Zirkus von vornherein.
An den tatsächlichen Machtverhältnissen ändern „normale“ „demokratische Wahlen“ nichts: Diejenigen, die sich die passenden Gesichter kaufen, bleiben herrschend.
Es ist also nicht klar, ob man eine repräsentative, eine „Vertreter“-Demokratie, als Demokratie in formalem Sinne bezeichnen kann. Das würde streng genommen erfordern, dass die Vertreter von denen zur Verantwortung gezogen, sprich abgewählt werden, können, wenn sie nicht das tatsächlich tun, was sie zu tun versprachen und deswegen gewählt worden sind.

Es ist in diesem Sinne ein fast logischer Witz: Versprechen vor der Wahl, die unmittelbar danach „vergessen“ worden sind, konnte man den DDR-Volkskammer-Abgeordneten kaum vorwerfen. Wer sie also per Kreuz gewählt hatte, hat das bekommen, was ihm für das Kreuz versprochen oder angedroht worden war.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen