Dienstag, 16. Oktober 2012

Vorsicht Demokratie! Einige Gedanken zum häufigsten künstlichen Geschmacksverstärker in der Politik (3)


... Aus dem bisher Angedeuteten ließe sich ein klarer Vorteil der sogenannten DIREKTEN Demokratie schlussfolgern. Dieser Schluss ist aber voreilig.
Die Begründungen dafür, warum auch direkte „Demokratieformen“ „undemokratisch“ im Sinne der Machtausübung gegen das Volk sein können und es unter gegenwärtigen „Rahmenbedingungen“ auch sind, sind vielfältig.
In dieser Betrachtung wird „demokratisch“ als Art der Entscheidungsfindung angesehen. Im Prinzip haben alle Bürger ein Mitentscheidungsrecht – und zwar ein formal gleiches. Vom Grundsatz her ist dies ein gutes Prinzip. Es ist allerdings an einige Bedingungen geknüpft, wenn es funktionieren soll, und oft mit einem Denkfehler bei den Befürwortern verbunden.
Beginnen wir mit letzterem. Mir klingeln noch die Ohren von einem Interview der früheren Piratensprecherin. Sie vertrat den Gedanken, dass die besten Entscheidungen dadurch getroffen werden, dass jeder seine Argumente vorbringt – es würden sich so gut wie automatisch die besten durchsetzen und der Schwarm entwickele dadurch eine Intelligenz, die die einzelnen Mitglieder nicht erreichen könnten.
Leider steht dem u.a. ein psychologischer Effekt entgegen. Es ist nämlich in der Masse nicht der mit dem besten Argument erfolgreich, sondern der, der sein Argument am eindrucksvollsten vorbringt, also persönliches Charisma schlägt sachlichen Inhalt. Unter Umständen steht und fällt das Ergebnis einer Debatte auch mit der Reihenfolge der Sprecher. Es ist schlicht nicht wahr, dass Argumente für sich bewertet werden. Besonders die Häufigkeit der Wiederholung einer These durch für kompetent Angesehene führt zu verstärkter Akzeptanz und zur Selbstunterdrückung ursprünglicher Widerspruchsbereitschaft. Wer also weder in BILD steht noch im Fernsehen immer wieder zu Wort kommt, hat schlechte Karten. Die Masse der Mitstimmenden sind ja nicht die fundiert Nachdenkenden, sondern es sind die, die aufgetischte Halb- und Viertelwahrheiten auf ihr Stammtisch-Niveau herunterverstanden haben.
Dieses Problem lässt sich nicht beseitigen, es lässt sich nur in seiner Bedeutung mindern. Das einschlägige Mittel dagegen ist die Hebung der sachlichen Kompetenz der einzelnen Menschen. Man kann auch sagen, ihr echtes Wissen. Da mag noch so ein mitreißender Charismatiker kommen; er wird den Durchschnittsdeutschen heute nicht mehr von der Scheibenform der Erde überzeugen. ...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen