... Aus dem
bisher Angedeuteten ließe sich ein klarer Vorteil der sogenannten
DIREKTEN Demokratie schlussfolgern. Dieser Schluss ist aber voreilig.
Die Begründungen dafür, warum auch
direkte „Demokratieformen“ „undemokratisch“ im Sinne der
Machtausübung gegen das Volk sein können und es unter gegenwärtigen
„Rahmenbedingungen“ auch sind, sind vielfältig.
In dieser Betrachtung wird
„demokratisch“ als Art der Entscheidungsfindung angesehen. Im
Prinzip haben alle Bürger ein Mitentscheidungsrecht – und zwar ein
formal gleiches. Vom Grundsatz her ist dies ein gutes Prinzip. Es ist
allerdings an einige Bedingungen geknüpft, wenn es funktionieren
soll, und oft mit einem Denkfehler bei den Befürwortern verbunden.
Beginnen wir mit letzterem. Mir
klingeln noch die Ohren von einem Interview der früheren
Piratensprecherin. Sie vertrat den Gedanken, dass die besten
Entscheidungen dadurch getroffen werden, dass jeder seine Argumente
vorbringt – es würden sich so gut wie automatisch die besten
durchsetzen und der Schwarm entwickele dadurch eine Intelligenz, die
die einzelnen Mitglieder nicht erreichen könnten.
Leider steht dem u.a. ein
psychologischer Effekt entgegen. Es ist nämlich in der Masse nicht
der mit dem besten Argument erfolgreich, sondern der, der sein
Argument am eindrucksvollsten vorbringt, also persönliches Charisma
schlägt sachlichen Inhalt. Unter Umständen steht und fällt das
Ergebnis einer Debatte auch mit der Reihenfolge der Sprecher. Es ist
schlicht nicht wahr, dass Argumente für sich bewertet werden.
Besonders die Häufigkeit der Wiederholung einer These durch für
kompetent Angesehene führt zu verstärkter Akzeptanz und zur
Selbstunterdrückung ursprünglicher Widerspruchsbereitschaft. Wer
also weder in BILD steht noch im Fernsehen immer wieder zu Wort
kommt, hat schlechte Karten. Die Masse der Mitstimmenden sind ja
nicht die fundiert Nachdenkenden, sondern es sind die, die
aufgetischte Halb- und Viertelwahrheiten auf ihr Stammtisch-Niveau
herunterverstanden haben.
Dieses Problem lässt sich nicht
beseitigen, es lässt sich nur in seiner Bedeutung mindern. Das
einschlägige Mittel dagegen ist die Hebung der sachlichen Kompetenz
der einzelnen Menschen. Man kann auch sagen, ihr echtes Wissen. Da
mag noch so ein mitreißender Charismatiker kommen; er wird den
Durchschnittsdeutschen heute nicht mehr von der Scheibenform der Erde
überzeugen. ...
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