Mittwoch, 17. Oktober 2012

Vorsicht Demokratie! Einige Gedanken zum häufigsten künstlichen Geschmacksverstärker in der Politik (4)


... Also je fundierter das Wissen der „Massen“ ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie gemeinsam zu vernünftigen Ergebnissen kommen. Nun sind aber gesellschaftswissenschaftliche Fragen eher mit Emotionen und Meinungen belastet als einfache naturwissenschaftliche Sachverhalte. Dazu kommt, dass Entscheidungsgrundlagen immer komplexer werden. Was alles ist in welchem Umfang zu berücksichtigen? Wie soll man (Gefälligkeits-)Gutachten bewerten, die als Ergebnis „sachverständiger Prüfung“ in der Zeitung stehen? Ist da nicht doch etwas dran?
Im Anziehungsfeld widerstreitender Kräfte neigt die Normalvernunft zum Lemmingverhalten, also zur Suche nach einem, dem man hinterherlaufen kann. Da dies in der Masse jemand ist, der a) besonders häufig seine Meinung öffentlich ausbreitet und b) dies mit einer scheinbar anerkannten Kompetenz tut, also z. B. als Regierung oder von der Regierung Berufener, ist direkte Demokratie tendenziell konservativ im Sinne der Erhaltung des Bestehenden / Gewohnten.

Diesem allgemeinen Effekt ist wiederum nur bedingt dadurch beizukommen, dass „die Massen“ umfassend informiert sind. Dabei ist dieses „umfassend“ nicht als erschlagende Masse einander widersprechender ausgewählter Details gemeint, sondern als methodisches Grundgerüst einer Sachbewertung und einer Objektivierung von Fakten. Das hört sich kompliziert an, ist es aber auch.
Und es setzt voraus, dass es keine wesentlichen gegenläufigen Interessen gibt, also niemand daran interessiert ist, dass die Menschenmassen NICHT zu den objektiv besten Schlüssen kommen. Jede Entscheidung, die Bedeutung für die wirtschaftliche Rolle einzelner Beteiligter hat, veranlasst aber diese, aus dem Gefüge von möglichen Argumenten diejenigen zu „verstärken“, die eine Entscheidung im positiven Sinn der eigenen wirtschaftlichen Entwicklung bewirken können. Sobald es sich dabei um wirtschaftlich Mächtige handelt, also solche, die freie Mittel („Kapital“) für Gutachten, Lobbyarbeit in Parlamenten, Zeitungsartikel usw. einsetzen können, ist in der öffentlichen Wahrnehmung eine ihnen angenehme Auswahl an Argumenten überrelevant präsent. Damit tritt der vorher angedeutete psychologische Effekt ein, dass die Massen sich für kompetent halten und eine im Sinne der Herrschenden erwünschte Meinung für sachlich richtig – obwohl die a) falsch und b) für sie selbst schädlich ist. Letztlich bis zur Lemmingkonsequenz, also zum kollektiven Suizid. (Über das indirekte Erpressungspotential von Großanlegern gegenüber Medien braucht nicht zu philosophiert zu werden. Eigentlich passiert es nurbeim kleinen Sexgeschäft und der Pornografie, dass eine Reihe von Hotline-Nummern unmittelbar neben einem Artikel gegen die Geschlechtsvermarktung steht. Ansonsten dürften die Redaktionen vorsichtig sein, Artikel gegen die großen Inserenten zu veröffentlichen.) ...

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