Was bedeutet das?
Eine gesellschaftliche Ordnung ist immer strukturiert. Die erste Strukturebene ist die des Eigentums, mitunter variiert durch den Besitz:
Mindestens eine der Grundklassen bilden immer die, die Eigentümer der Produktionsmittel sind. Welche individuellen Interessen die Angehörigen dieser Klasse auch haben mögen, ein Interesse ist ihnen ohne Nachdenken gemeinsam: Sie möchten mindestens Eigentümer bleiben. Unter „marktwirtschaftlichen“ Bedingungen müssen sie sogar höchstmöglich ausbeuten, weil sonst Konkurrenten aus der eigenen Klasse ihnen die Zugehörigkeit zu den Eigentümern nehmen.
Klar ist, dass den Eigentümern mindestens eine Klasse der Nichteigentümer gegenübersteht, wobei die auch eine „Klasse von Eigentum“ (Sklaven) sein kann. Deren „Klasseninteresse“ ist jedoch schwerer zu definieren. Meist überwiegt das ausschließliche bloße (bestmögliche) Überleben. Daran schließt sich der Wunsch an, nicht mehr zu dieser Klasse zu gehören, sondern zu der der Besitzenden. Je nachdem, wie undurchlässig die Grenzen zwischen den Klassen praktisch sind, sind die Klassenkämpfe unterschiedlich hart und unversöhnlich.
Sinnvoll ist es allerdings von Anfang an, die „Klasse der Besitzenden“ zu teilen. So ist zwischen dem Klasseninteresse von Produktionsmitteleigentümern zu unterscheiden, deren Position aus dem Produktionsprozess soweit herausgehoben ist, dass sie im Wesentlichen bzw. ausschließlich vom Mehrprodukt fremder Arbeit leben – also von der Ausbeutung fremder Arbeitskraft – oder ob sie zugleich die eigene Arbeitskraft „ausbeuten“. Für Letztere hat sich der Begriff des „Kleinbürgers“ eingebürgert. Ihre Zwitterstellung führt notwendig zu politischem Schwanken: Das eine können sie (noch?) nicht sein, das andere wollen sie eigentlich nicht sein, müssen aber damit rechnen, es zu werden.
Mitunter kann auch die Art der Produktionsmittel selbst ein Klasseninteresse zusammenfügen. Dies trifft bedingt auf den Besitz von Grund und Boden , also die Landwirtschaft, zu. Der klassische „Bauer“ muss sein öffentliches Verhalten in nicht unwesentlichem Umfang am natürlichen Ablauf von Saat, Bodenpflege und Ernte ausrichten. Bei Erntewetter fällt die Revolution eben aus …
Es ist schwierig, alle Übergänge und Abgrenzungen zutreffend zu bestimmen. Wie groß muss denn beispielsweise der „Anteil am gesellschaftlichen Reichtum“ sein, um den Betroffenen ausreichend objektiv fühlen zu lassen, dass er kein „ausgebeuteter Arbeiter“ ist? Anders gefragt, ab wann ist es naheliegend, dass jemand eher Interesse hat, dass alles bleibt, wie es ist, als an „Revolution“ zu denken.
Ich verstehe Marx´ Begeisterung: Der anfängliche Entwicklungstrend der „Arbeiterklasse“ war eindeutig. Erstmals war eine Menschengruppe am Wachsen, die scheinbar nichts zu verlieren hatte „als ihre Ketten“ und umgekehrt eine Perspektive angehen konnte, in der es ihr nicht nur besser gehen würde, sondern sie alle klassenbedingten Ungerechtigkeiten überwunden könnte. Alle bisherigen Klassen konnten als positive Alternative nur anbieten, dass einzelne ihrer Mitglieder in höher stehende Klassen aufstiegen, soweit dies praktisch möglich war. Auf Kosten anderer, versteht sich. Sie konnten als Klassen nur entweder untergehen oder die Individuen verrieten ihre Klasse. Nun, also im 19. Jahrhundert, organisierte die Bourgeoisie über die Großproduktion die Bedingungen, unter denen die Arbeiter sich im weitesten Sinne „bilden“ konnten.
Der entscheidende „Absprung“ misslang jedoch. Unter vielen Gründen fand sich auch der, dass natürlich auch die Klasse der Kapitalisten Marx lesen und in ihrem Sinn anwenden konnte. Die ungleichmäßig durchgesetzte Großproduktion schuf eben auch die Überschüsse, um eine „Arbeiteraristokratie“ zu schaffen. Ein Teil derer, die eigentlich zur „Arbeiterklasse“ hätten gehören können und müssen, wurden mit Merkmalen versehen, die für das Ideal Arbeiterklasse nicht vorgesehen waren: Im weitesten Sinn „Privilegien“, die zu bewahren das eigentliche Klasseninteresse der Gesellschaftsumgestaltung überlagerten. Zugespitzt: Bausparvertrag versus Klassenkampf. Natürlich entstand damit keine „Bausparklasse“, aber eine vielschichtige Nuancierung von kleinbürgerlichen Denkstrukturen wegen kleinbürgerlichen Interessen. Die waren aber nicht im Bewusstsein allein angesiedelt, sondern in materiellen Verhältnissen, das ein solches Denken normalerweise hervorbringt.
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