Samstag, 19. Januar 2013

Zum Umgang mit Coffeeshops und FKK - als die DDR "liberal" war ...


Man könnte meinen, bestimmte Erfahrungen macht die Menschheit einmal und dann sind sie da, aber denkste: Den erfolgreichsten "Feldversuch" mit einer "Verbotsaktion" gegenüber einem "Genussmittel" haben uns die USA geliefert mit ihrer "Prohibition". Sie schufen sich Legenden, in denen Al Capone und andere Großverbrecher zu bedeutender regulärer Macht gelangten. Ich meine hier mit Großverbrecher nicht die Bankengründungen, die auch Brecht als größere Verbrecherorganisationen ansah und die uns neudeutsch "systemisch" legal ausrauben dürfen. Ich meine hier nur das, was im bürgerlichen Rechtsverständnis selbst als "Verbrechen" gilt. Einen größeren Bumerang im Kampf mit dem Alkoholismus konnte man sich kaum leisten, als den Konsum einfach zu verbieten. Nachher lohnte sich eben das illegale Geschäft mehr.
Man muss gewisse Süchte nicht gut finden, nicht für Suff oder Hasch sein. Ich nehme auch an, dass das die niederländischen Sozialdemokraten eigentlich nicht sind. Aber Genüsse sind eben Genüsse, weil sie wer genießen will. Solange sich alles um Gewinne aus Geschäften dreht, wird jemand im illegalen Markt diese Gewinne wittern. Der Sumpf ist also am besten und dauerhaftesten ausgetrocknet, wenn man mit dem Handel mit im weitesten Sinn "Drogen" nichts gewinnen kann. Wenn es schon einen Sonderfall wie den niederländischen gibt, also dass sich die Tradition der Coffeshops durchgesetzt / herumgesprochen hat, dann ist es für selektierende Verbote zu spät. Die Rechtslage des Nachbarn verfälscht die innere Situation: Es ist logisch, dass Deutsche nach Holland kommen, um unbelästigt zu kiffen. Wenn sie das nicht an öffentlichen Orten können, werden sie "Angebote" nutzen, eshalblegal zu tun. ... also für die Dealer ist es doch "vernünftig", den Geld bietenden Deutschen ihren Hasch "notfalls "draußen" zu verkaufen. Da wird sich doch was machen lassen ...
Eine sehr eigene Erfahrung mit speziellen Genüssen machte die junge DDR. Auch hier war die Bereitschaft, sich Knüppel schwingend lächerlich zu machen, anfangs groß. Da gingen Wächter der sozialistischen Moral auf Jagd nach Nacktem in der Natur. Ihr Erfolg war beeindruckend: Das Nacktbaden bekam einen doppelten Reiz. Zum einen der Genuss als solcher, zum anderen das Vergnügen, den staatlichen Moralwächtern ein Schnippchen geschlagen zu haben. Allerdings erwies sich die DDR in dieser Sache als lernfähig. Sie erinnerte sich bald daran, dass das Nacktbaden durchaus Tradition in der Arbeiterbewegung hatte, also dort, worauf man sich selbst sonst berief. Die meiste DDR-Zeit lag noch vor dem "Ozon-Loch", es überwog bei weitem der Genuss-Effekt des ungehemmten freien Körpers. Prüde Pornografie-Interpretationen waren fremd. Was "man" zeigen wollte, konnte man "einfach so" - und was nicht, eben nicht. Aber fast unmerklich verschoben sich die Grenzen zwischen Nackten und Textilanten immer mehr zugunsten der Nackten, ohne dass dies einer offiziellen Sanktion bedurfte. FKK-Grenzschilder darbten unbeachtet vor sich hin. Erst mit dem Einmarsch der aufgezwungenen "Freiheit" wurde das Recht auf Kleidung gegen das nun mit Pornographie verbundene eingezäunte Recht auf Nacktheit gewaltsam durchgesetzt - vor allem dank der Gewalt des Geldes.
Die Formen der Verbote wurden nun nuanciert eingesetzt. Vor allem wurden Möchtegern-Nackte zur Selbstghettoisierung in Nudistenvereinen verurteilt. Ein sehr erfolgreicher Schlag: Aus der Öffentlichkeit verbannt und mit Schand-Attributen versehen, machten sich nun die Wärter der Selbstbehauptung in den Vereinen selbst lächerlich. Nun wurden die dort zu "Moral-Aposteln", die in ihrem "Machtbereich" um das allgemeine Entblößen kämpften. Das wichtigste Grundprinzip der (gegenseitigen) Toleranz war besiegt.


Diese Zusammenhänge funktionieren allerdings hauptsächlich bei Genüssen, die nicht in hierarchisch-beruflichen und öffentlich-politischen Leben praktiziert werden. Auch wenn Hunderte nebeneinander Düne an Düne ihren Körper Licht und Luft und auch einander zeigen, so ist es etwas Anderes, als wenn aus einem "Genuss" dauerhafte Sanktionen folgen. Wenn jemand, nur weil er eine vernünftige politische Einstellung zur Schau stellen will, dafür aus der anerkannten Bestreitung seines Lebensunterhalts ausgeschlossen wird ("Berufsverbot"), wird Denken zur Geheimsache.
Auf der anderen Seite wird die Pornografie der Dummheit vorsichtig gefördert. Ein Thilo Sarrazin zusammen mit anderen geistig Entgleisten "darf doch sagen dürfen", was alle, die nicht denken können, zu denken glauben. Auch ein vorsichtiger Gegenartikel - geschickt platziert - ist für die Verbreitung der virulenten Hirnfäule geeignet. Wenn genügend rechte Reserve-Armeen zur Verfügung stehen, kann man bei allzu vielen öffentlich gewordenen Verbrechen auch laut über ein Verbot einer dieser Armeen - also gerade der NPD - nachdenken ... um im Kampf gegen linke Vernunft das Argument der Ausgewogenheit der Mittel zu haben. Ein NPD-Verbot als Keule zur Begründung einer radikalen linken Organisation.
Wobei bestimmter Sprachgebrauch die Funktion von Verboten zum Teil sehr effektiv ersetzt: "Radikal" heißt ja erst einmal nicht mehr als von den Wurzeln / Ursachen her. Wer also nach den Wurzeln zu beanstandender Sympthome fragt, wird verdammt. Damit, also damit, dass die Sympthome ohne Ursache benannt werden dürfen, ergibt sich ein Bild der "Meinungsfreiheit" - nur vor den bösen Extremisten müsse man sich schützen.
Ein klebriger Sumpf, bei dem letztlich ein Interesse übrig bleibt: Kassieren zu Lasten eines Schwächeren. Solange nicht Einzelne dieses Grundprinzip durch allzu offen Empörung Hervorrufendes bedrohen, ist auch Verbotenes erlaubt ...

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