Man kann natürlich in den platten Losungskrieg einstimmen und "Freiheit durch Sozialismus" statt "Freiheit oder Sozialismus" formulieren. Ich finde eine solche griffige Losung - wie andere in solche Richtung - durchaus wichtig. Aber es soll ja Leute geben, die wollen wirklich konkret werden. Nicht umsonst habe ich das Interview zum 100. Jahrestag der chilenischen KP veröffentlicht. Dort spielt sich die Hauptschlacht um Köpfe bereits in der Jugend ab. Da sind es schon Schüler und Studenten, die Schwung in die Bewegung bringen. Aber abgesehen von der besonderen soziologischen Situation dieser beiden Gruppen - also dass ihre Zeit als Schüler bzw. Student auf jeden Fall in absehbar kurzer Zeit endet - muss hier neben der Frage, was sie nicht wollen, eine möglichst klare Antwort gegeben werden, was sie denn als Alternative wollen können. Primitiv ausgedrückt: Alternative Sozialismus? Was ist das? Was sind seine Vorzüge?
Früher oder später kommt man da an der Frage der Planung der Gesellschaft nicht vorbei. Die beginnt natürlich bei der Planung der Wirtschaft.
Insofern ist der "junge Welt"-Artikel von Professor Rösler sehr wichtig. Ich fürchte, es wird mir schwer fallen, mit wenigen Worten zu begründen, warum er mir in seiner Konsequenz nicht gefällt. Vielleicht die einfachste Aussage: Es ist "altes Denken", ein Blick nach vorn, der vergangene Verhältnisse fast mathematisch-logisch in die Zukunft überträgt, ohne zu berücksichtigen, dass sich die "Produktivkräfte" von denen vor ca. 40/50 Jahren grundlegend verändert haben.
Beginnen wir aber mit dem Rückblick, dem man bedenkenlos zustimmen kann:
(05.12.2012 / Thema / Seite 10Inhalt
Alternativen zum Neoliberalismus
Ökonomie. Zum Verhältnis von Planung und Markt: Erfahrungen beim sozialistischen Wirtschaften unter zentralen und dezentralen Strukturen seit Dezember 1927
Von Jörg Roesler nachzulesen in "jungewelt.de")
Sah Professor Rösler den Niedergang des "Planungssystems" in der DDR schon mit einem halben Auge zu wenig, so wird daraus "Blindheit", sofern es um die Zukunft geht. Die Einleitung der strittigen Perspektive halte ich schlicht für falsch:
"Denkbar sind drei Varianten: ..."
"Denkbar" sollte erst einmal vieles sein. Nun kann man Professor Rösler zugutehalten, dass er Realist sei und die künftige Planungssituation in die internationale Klassenkampfsituation einbettet, also die zu planende Region in eine feindliche Umwelt. Das sagt er aber nicht. Er tut so, als ginge es um DIE denkbaren (!) Wege sozialistischer Planwirtschaft. Und da erlaube ich mir zumindest eine vierte Variante ins Spiel zu bringen.
Man stelle sich das Ganze als eine Unmenge von unterschiedlich stark ineinandergreifenden Zahnrädern vor. Jedes dieser Zahnräder plant erst einmal für sich. Kern des Ganzen muss eine gesellschaftliche Wirtschaftsplanung sein. Hier wird zum einen die sozial-politische Entwicklung geplant und deren Umsetzung abgesichert. Zum anderen - und hier wundere ich mich über Professor Rösler - muss hier durchgesetzt werden, was als gesellschaftliches Interesse auf der Ebene kleiner Einheiten nicht lösbar ist. Ich greife als Beispiel den Umweltschutz heraus. Der steht betrieblichen Individualinteressen normalerweise im Wege. Er ist insofern betriebswirtschaftlich unwirtschaftlich.
Dazu kommt die Grundlage des Ganzen: Ein breit gefächerter Mix von Eigentumsformen, innerhalb dessen das "gesamtgesellschaftliche Eigentum" vorherrschend sein muss.
Professor Rösler übersieht die Demokratie fördernden Potenzen des Internet. Es ist heute technisch möglich, dass jeder Interessierte an der Planung sowohl seines "Zahnrads" als auch des gesamten Räderwerks Teil hat. Die Folgen einer falsch geplanten Schraube lassen sich für jeden nachvollziehbar aufzeigen. Zentralplanung muss nicht mehr in abschließender Entscheidung sehr eng begrenzter Führungszirkel bestehen und deren Kommandos. Das war aber der entscheidende Haken des frühsozialistischen Planungssystems. Es ging früher nicht anders - also musste eine freie Einzelentscheidung das Funktionieren des Gesamtsystems in Frage stellen.
"Grundvoraussetzung für die Einführung wäre der Umbruch der Eigentumsverhältnisse, der eine revolutionäre Lösung verlangt, für die allerdings zur Zeit wenig spricht."
Eigentlich könnte man an dieser Stelle abbrechen: Ohne wesentliche Änderungen der Eigentumsverhältnisse kann man nirgendwo und nirgendwie von "sozialistischen Verhältnissen sprechen. Es gibt nur wenige Bereiche, bei denen ich "kapitalistisches Eigentum" innerhalb sozialistischer Verhältnisse ausschließen würde, aber deren Dominanz muss als politischer Eingriff in ökonomische Verhältnisse erfolgt sein. Eine Sparkasse, die jedem armen Schwein ein Konto zubilligen muss, wird immer effektiver arbeiten als eine Bank, die sich Anlagerosinen herausgreifen darf.
Ein Letztes. Professor Rösler wollte es offenbar nicht so drastisch ausdrücken, aber das Scheitern des realen frühsozialistischen Planungssystems hing natürlich mit einem Doppelproblem zusammen: Die eine Seite der Medaille war der Fakt, dass nur wenige konkrete Menschen reale Planungsmacht hatten, die andere, dass dies tendenziell politisch verengstirnte Menschen waren. Es hilft also, wenn mehr Menschen ihre Ideen technisch in ein vielteiliges Planugssystem einbringen, es ist aber eine kreativitätsfördernde Leitungsstruktur nötig. Wir dürfen uns nicht auf Ausnahmegestalten wie Fidel Castro orientieren, die nach Jahrzehnten in exponierter Stellung noch Wandlungsnotwendigkeiten verstehen und einzuleiten versuchen ...
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