Offensichtlich hat jener Aufruf und eine Antwort der Adoptierer auf Kritik viel Staub aufgewirbelt. Man sollte sich nicht scheuen, nach Antworten zu suchen und dabei auch vor Prinzipiellem nicht zurückschrecken. Was sollte dabei alles beachtet werden?
1. Alles, was praktisch Krieg bedeutet, bringt den Betroffenen Tod und Leid. Wer also zum Kampf ruft gegen ein menschenfeindliches Regime treibt u.U. den "Teufel" mit "Beelzebub" aus, ersetzt also das eine Leiden durch ein anderes. Ob damit menschenfreundliche Verhältnisse entstehen, ist meist offen. Ob es den Libyern nach Gaddafi besser geht als mit ihm, darf getrost bezweifelt werden. Dass die Invasion enormen Schaden angerichtet hat, steht außer Zweifel. Andere Bevölkerungen zu einem ähnlichen Schicksal zu verurteilen, halte ich erst einmal für menschen-verachtend.
2. Die Verwirrung unter Linken im weitesten Sinn ist verständlich. Nach dem Untergang dessen, was einst als "sozialistisches Weltsystem" gegolten hatte, funktioniert die Einteilung zwischen den "Guten" - die also den sozialistischen Weg auf ihren Fahnen hatten - und dem bösen Rest nicht mehr. Wer da ins Feuer imperialistischer Angriffe gerät ist als Machthaber uneingeschränkter Solidarität ungeeignet. Man kann sich vor diesen Assad eben nicht vorbehaltlos schützend stellen. Allerdings darf man nicht von einem ins andere Extrem verfallen: Unabhängig von den Nachrichten, die ausgefiltert bei uns Normalbürgern ankommt, ist Skepsis angebracht. Man darf einfach nicht so naiv sein, dass da nur uneigennützige Verfechter der unteilbaren Menschenrechte am Werk sind. Die Lehren aus dem Umgang mit dem Hitler-Faschismus sollte man konkreter sehen:
2.1. Die Kommunisten hatten am klarsten gesagt, Hitler bedeutet Krieg. Es wäre im Sinne allgemein-menschlicher Vernunft gewesen, eine sehr breite Kriegs-Verhinderungs-Front zu bilden - unter Einschluss der politischen Gegner.
2.2. Eine nach Weltmacht strebende potentielle Kriegspartei ist nicht dadurch zu "befrieden", dass man ihr Stücken potentieller Kriegsbeute als Häppchen zuwirft, um die Krieger auf ein Kriegsziel zu lenken. Wahrscheinlich wären Franzosen und Engländer dran gewesen, hätte der deutsche Faschismus als erstes zum Krieg gegen die Sowjetunion verführen lassen und diesen Krieg gewonnen.
2.3. Eine "Verpflichtung" zum Eingreifen irgendeines Nachbarstaates zur Bestrafung, ja auch nur Beendigung der perversen Machtausübung der Faschisten gegen ihr eigenes Volk hat es nicht gegeben und darf es nur geben, wenn dieses übernationale Urteil der Anfang einer dauerhaft herrschaftslosen Welt wäre ... also nicht in einer Welt, die wir uns heute vorstellen.
So wie ich den Einmarsch einer Koalition der Willigen zum potentiellen Schutz von den verschiedenen faschistischen Opfergruppen in Friedenszeiten ablehne und meine, das sollte MAN ablehnen (und nicht nur der gefilterten Informationen wegen), so trifft dies auf JEDES beliebige Land zu. Weder Libyen noch Syrien (noch zuvor Jugoslawien) war nach außen eine Krieg führende Staatsgewalt, vor der es sich zu schützen gegolten hätte. Auch Verbrechen sind durch eine Seite manipulierbar. Ein Vergleich der Assads usw. mit Hitler ist ein psychologisches Verbrechen, das demjenigen angelastet werden muss, der es versucht.
3. Eine Maßnahme, Äußerung usw. sollte in erster Linie aus der Sicht der tatsächlichen Folge und nicht aus der Sicht guter Wünsche betrachtet werden. Aus dieser Warte sind Sanktionen und Boykottmaßnahmen mit Vorsicht zu sehen, da sie meist mehr die wehrlose Bevölkerung treffen als das zu schwächende Regime, das durch solche Eingriffe Munition erhält für Hetze und Verschärfungen im Sinne, wir müssen uns gegen die böse Welt um uns herum wehren ... Es sind also positive Schritte, die zu einer Kompromisslösung am Verhandlungstisch führen können, allen als Erpressung interpretierbaren vorzuziehen, mit denen man dem Gegner nur die Alternativen setzt, entweder freiwillig gleich geschlagen zu geben und abzutreten oder im Krieg niedergewalzt zu werden. Ein System, in dem nur Staaten übrig bleiben, die sich einer "Ordnung" unterwerfen, ist nicht wünschenswert. Wer also eine "friedliche Revolution" will, muss einen Rahmen schaffen, der dem herrschenden System zuzumuten ist. Anderenfalls stärkt man gewollt oder nicht das Wirken von Banden der Ordnungsgegner.
4. Eigentlich gerät gerade die deutsche Politik in ein besonders mieses Licht. Auf der einen Seite gibt man vor, gegen "islamistischem Terror" entgegenwirken zu wollen, auf der anderen Seite unterstützt man praktisch genau die Regimes, die für konkreten islamistischen Terror an der Macht stehen. Kampfpanzer an Saudiarabien, die sich gleich darauf bei der Niederschlagung von Demokratiebewegungen im eigenen oder in Nachbarländern wiederfinden, entlarven jedes Geschwafel als das was es ist: Verschleierung des eigenen Kampfes um einen Spitzenplatz in der Weltmachthierarchie. Und da bietet sich die Erinnerung an das Ende von Kaiser- und Hitlerdeutschland als Warnung durchaus an.
5. Was sollten WIR daraus folgern:
5.1. Jedem Volk muss das Recht und die Pflicht zugestanden werden, seine Fehler in den Grenzen des eigenen Landes selbst zu machen und im Inneren die Konsequenzen zu tragen.
5.2. Jeder Rüstungsexport ist ein Geschäft mit dem Leid anderer Völker. Er ist grundsätzlich abzulehnen. Versuche von Kontrollgremien sind vergleichbar mit einem Gesetz, nachdem der Handel mit Heroin legalisiert würde ... für Rentner und mit anerkannter Behinderung ab 50 Prozent.
5.3. Wenn sich "Deutschland" in aller Welt einmischen will, dann als Gastgeberland für Konferenzen / Treffen, auf denen "Streitparteien" moderiert nach Kompromissen suchen.
5.4. "Internationale Friedenstruppen" können immer nur so gut sein wie die internationalen Machtverhältnisse. Wer also nur ein bisschen zu verstehen beginnt, dass wir in einer Welt imperialer Kämpfe um Rohstoffe, Absatzmärkte, Macht usw. leben, kann sich nicht hinter Beschlüssen eines UN Sicherheitsrates o. ä. verstecken. Krieg bleibt auch mit "Mandat" Krieg. Insofern ist im Vergleich zu Zeiten des "kalten Krieges" ein Rückschritt eingetreten, da eine gegenseitige Abschreckungsmacht echte Kompromisse eher ermöglichten.
5.5. Linke im allerweitesten Sinn sollten möglichst kurzfristig zu einer Übereinkunft kommen, die lebenserhaltende Ablehnung aller militärischen Einmischungen gemeinsam als Plattform zu besprechen - und Formen zu finden, mit denen Friedenspolitik lauter propagiert werden kann.
5.6. Von besonderem Interesse sind die wenigen Beispiele, wo auf bürgerlich-demokratischem Weg in weitestem Sinn sozialistische Perspektiven in den Bereich der Möglichkeiten gerückt sind, also Venezuela, Bolivien, vielleicht Ecuador und ALBA überhaupt. Dort ist Informationsverzerrungen entgegenzuwirken.
5.7. Nichtkommunistischen Sympathisanten der Friedensbewegung ist ein solidarischer Umgang mit dem kubanischen System anzuraten. Es ist den Kubanern auf der Insel zuzubilligen, einen "Sozialismus" ihrer Art haben zu wollen, ob mit oder ohne Castros, wie eben ein multinationales Syrien ohne salafistische Nato-Panzer den kurdischen, christlichen usw. Syrern zu gönnen gewesen wäre. Sind irgendwo die Panzerfahrer erst einmal drin, dann sind sie schwer davon zu überzeugen, dass nicht ihnen die Ernte zusteht ...
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