Sonntag, 13. Januar 2013

Droht uns eine "Klasse" "Prekariat"? (2)


Bei der Frage der "Klassendefinition" gibt es mit Sicherheit einschneidende Unterschiede zwischen all denen, die ihre Schulbildung in der DDR erworben haben und dem wachsenden „Rest“ der "Deutschen". Mein Schicksal ist es, zur ersten Gruppe zu gehören. Zu dem Negativen dort gehörte die Vergötterung von etwas, was als „Leninsche Klassendefinition“ Eingang in die Lehrpläne gefunden hatte. Generationen von Lehrern durften ihre Schüler daran bewerten, ob sie die folgenden Sätze möglichst exakt, also „auswendig“, wiederzugeben vermochten:

"Klassen sind .... große Menschengruppen, die sich voneinander unterscheiden nach ihrem Platz in einem geschichtlich bestimmten System der gesellschaftlichen Produktion, nach ihrem (größtenteils in Gesetzen fixierten und formulierten) Verhältnis zu den Produktionsmitteln, nach ihrer Rolle in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit und folglich nach der Art der Erlangung und der Größe des Anteils am gesellschaftlichen Reichtum, über den sie verfügen." (W. Lenin, zit. nach: Wörterbuch des wissenschaftlichen Kommunismus, Berlin 1984.)

Nun ist zu bezweifeln, dass es Lenins Absicht gewesen war, mit seiner Darstellung eine allgemein- und endgültige Definition von dem zu geben, was in der gesellschaftswissenschaftlichen Literatur als „Klasse“ bezeichnet wird. Dann wäre sie nämlich deutlich schwächer ausgefallen als notwendig und von der Schar der Lehrenden verkündet.

Nun sind wir in Deutschland zumindest auf dem Gebiet der Literatur gebrannte Kinder. Eine zum Teil „große“ Literatur basierte ja gerade auf der Verkennung dessen, was "Klassen" sind. Die Epoche der „Aufklärung“ (und die daran anknüpfenden bis zur „Klassik“) gewann ihre Kraft ja aus dem Wunsch nach Durchsetzung eine „allgemeinen“ Vernunft, der gegenüber wohl die gebildete herrschende Klasse, also der Adel, eben dieser Bildung wegen, aufgeschlossen sein könne und müsse. Etwas mehr Vernunft und eine bessere Gesellschaft setzte sich duch solche Aufklärung durch. Es sei doch offensichtlich, wie die bessere Gesellschaft aussehen müsste. „Man“ müsse nur richtig hinsehen.

Damit prallten die klugen Bürgerlichen aber eben auf das Wesen der Klassenzugehörigkeit. Mein Diskussionsvorschlag zur "Klassendefinition" wäre folgender: 

Klassen sind relativ große Gruppen von Menschen, deren dauerhafte gesellschaftliche Lebensumstände unabhängig vom individuellen Wollen für sie ein bestimmtes gemeinsames gesellschaftliches Interesse und letztlich ein dementsprechendes Handeln produzieren.

In erster Linie ist dies die jeweilige Stellung im Produktionsprozess und hier Verhältnis zu den Produktionsmitteln.
Aus dieser Stellung können sich andere Merkmale ergeben. Um Menschengruppen als Klassen zu bezeichnen müssen sie eine eigene Position zur Ausbeutung von menschlicher Arbeitskraft haben, also potentiell ausbeutend oder ausgebeutet sein.
Relativ dauerhafte Merkmale können aber auch die Art der Erlangung und die Höhe des Anteils am gesellschaftlichen Reichtum sein, die normalerweise Folge ihrer Rolle in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit sein.

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