Ich sehe ja ein, dass wenn man nur eine Denkweise kennt, man überzeugt ist, dass es nur eine gibt. Man muss mitunter darauf gestoßen werden, dass es auch ganz anders geht.
Also ich gebe zu, dass ich kaum irgendeine Spur des Weges benennen könnte, den wir da zurückgelegt haben. Wir haben keine „offiziellen“ Stationen gemacht, also irgendetwas Hotelartiges aufgesucht. Wir sind getrampt ohne konkretes Ziel. Der einzige Anhaltspunkt war: In der Gegend gibt es viele Leute, die Deutsch sprechen. Solche Leute haben wir auch immer wieder neu gefunden und bei ihnen übernachtet, uns unterhalten und Vorschläge bekommen, was wir noch unbedingt ansehen sollten. Es gab nicht ein Kontaktproblem und kaum ein Fahrzeug ist einfach an uns vorbei gefahren, ohne zu halten und nach unserem Ziel zu fragen. Nun schien Liane zwar einem Fotoalbum über Blumenkinder entstiegen, aber das war es nicht. Die Freundlichkeit war allgegenwärtig, beschränkte sich nicht auf die Solidarität der sich verfolgt fühlenden deutschen Minderheit. Obwohl für einen Deutschlehrer die Begegnung mit Menschen, die ein „Deutsch“ sprachen, das in ihrer heimatlichen Landschaft wohl vor 150/200 Jahren gesprochen worden sein mag, bereits ein Erlebnis für sich war. Gerade die Assimilierungspolitik unter Ceaucescu förderte als Anti-Haltung das Festhalten an überlieferten Traditionen. (Insoweit kann ich heute die „Migranten“ in Deutschland leichter verstehen, dass sie sich nicht zu Deutschen dritter Klasse umwandeln lassen wollen.) Am drastischsten war dies in Familie, in der der „Patriarch“ eine Ungarin geheiratet hatte. In seiner Umgebung, seinem Haus durfte nur DEUTSCH gesprochen werden. In der Schule durfte die Tochter nicht deutsch, musste Rumänisch sprechen. Die Mutter freute sich, weil sie wenigstens in einer gewissen Heimlichkeit jemanden hatte, mit dem sie sich in heimischen ungarischen Klängen verständigen konnte – wie gesagt: jeweils vor den anderen Parteien geheim zu halten.
Doch das war nicht das, was mich am stärksten beeindruckte. Das nämlich ereilte uns total unverhofft. Man stelle sich vor, ein Fahrzeug hatte uns in einem abgelegenen Dorf abgesetzt. Wir waren ein Stück fröhlich in Richtung Ortsausgang gelaufen. Da überraschte uns ein Gewitterguss. Also der Regen kam schneller als ich das hier aufschreiben kann und mit urwüchsiger Kraft. Wir waren gerade an einem Grundstück vorbeigekommen, von dem eigentlich nur ein Rasenstück mit Baum zu erkennen gewesen war. Liane reagierte und dirigierte schneller, als ich denken konnte. Ehe ich mich versah, hatten wir unser Zelt aufgebaut und waren darin dabei, uns aus den nassen Sachen zu schälen. Da hob sich die Plane am Eingang. Ein Frauengesicht tauchte auf. So wir zuvor vom Regen wurden wir nun von einem Guss Schimpfworte – zumindest klang es so – überschüttet. Wir verstanden nur, dass die Frau Rumänisch sprach und unsere Versuche, auf Deutsch oder Englisch zu antworten, ignorierte. Nein: Wir verstanden noch, dass wir da weg sollten. Erst kam es uns vor, als wollte die Frau uns von dem Privatgrundstück vertreiben. Sie war aber ausdauernd und so waren wir wenige Minuten später in dem Haus im Hintergrund, das wir bei dem dichten Regen überhaupt nicht gesehen hatten. Wir hatten ein eigenes Zimmer mit Doppelbett und vielen Handtüchern und … kaum getrocknet hatten wir der „Hausherrin“ zu folgen:
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