Montag, 22. August 2011

Der olle Lenin … Imperialismus (1)




Zu oft wird heute die wissenschaftliche Abstraktionsarbeit Lenins untern Tisch geschoben. Dabei sind manche Dinge einfach genauer zu betrachten, um sie zu verstehen. Ein wichtiger Punkt seiner theoretischen Leistung ist die Definition des erreichten „Imperialismus“ als ...

 höchstes und letztes, besonderes historisches Stadium des Kapitalismus.
"Diese Besonderheit ist eine dreifache: der Imperialismus ist:
  1. monopolistischer Kapitalismus;
  2. parasitärer oder faulender Kapitalismus;
  3. sterbender Kapitalismus."
(Lenin, 23, S. 102)
Wenn man dies noch ergänzt durch die durch ihn beschriebenen Merkmale

  1. Konzentration der Produktion und des Kapitals und Bildung von Monopolen, von denen jeweils wenige ganze Industriezweige beherrschen
  2. Verschmelzung der Monopole in der Industrie und im Bankwesen zum Finanzkapital, Entstehung der Finanzoligarchie
  3. der Kapitalexport gewinnt gegenüber dem Warenexport vorrangige Bedeutung
  4. Herausbildung internationaler Monopole und Monopolistenverbände, die die Welt unter sich in Einflusssphären und Märkte aufteilen
  5. die territoriale Aufteilung der Welt unter die imperialistischen Großmächte ist abgeschlossen
dann halten viele die Theorie für überholt.
Richtig ist, dass an einer Stelle eine einzelne Erscheinung zum Wesen erklärt worden war und sich der große Kopf der russischen Revolution auf Polemik einließ. Aber kann man ihm das verdenken? Mitten im Weltkrieg 1, wo die Lebensbedingungen eines Großteils der „einfachen Leute“ erstmals wesentlich verschlechtert wurden – massen- und dauerhaft, einschließlich der totalen Zerstörung des Lebens überhaupt?
Wenn wir natürlich „territoriale Aufteilung der Welt“ eng im Sinne von echten Kolonialreichen verstehen, beschreibt die Definition eine vergangene Phase. Wir können davon ausgehen, dass Lenin hier dem äußeren Schein zum Opfer gefallen ist.
Praktisch ist es komplizierter, aber im Wesentlichen haben wir heute „Imperialismus“ mit seinen drei „Besonderheiten“.
Allerdings muss extrem zwischen Wesen und Erscheinungsbild unterschieden werden – so extrem, dass man es kaum noch erklären kann. Lenin erfasste bereits das Hinterhältige des „Monopolismus“. Inzwischen ist er überwiegend gut verborgen. Nirgends geht es um ein nominelles Monopol, also um ein einzelnes Unternehmen, das eine Sphäre der Wirtschaft allein beherrscht, äußerlich diktatorisch. An die Stelle solcher Form ist abstraktes konzentriertes „Kapital“ getreten. Ein Monopolunternehmen bedarf nicht eines übergroßen nominalen Anteils. Es bestimmt, indem es Kleine neben sich am Leben, aber ohne Einfluss leben lässt, durch seine Kapitalmacht deren Unterordnung durch vorauseilenden Gehorsam durchsetzt. Wirklich „unabhängige“ mittelständische Unternehmen gibt es nur sehr bedingt. In letzter Konsequenz funktionieren diese nur als outsourced risks, also ausgegliederte Risiken. An anderen Stellen gibt es Show. Nehmen wir meine Heimat, den Buchmarkt. Wirklich große Verlage gibt es extrem wenige, also solche, die Einfluss auf den Bahnhofs- und Normalbuchladen haben. Wirklich extrem wenige, da die eingeführten Verlags-Namen weitergeführt werden. Man müsste sich also genau informieren, wer hinter welcher Marke steht – oft dieselben. Sollte ein kreativer Nischenverlag Markterfolg erwarten lassen, muss er mit dem Würgegriff im Hintergrund rechnen … nach dem er „integriert“ wird.

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