Sonntag, 7. August 2011

Zur Woche des Mauerbaus

Vor 50 Jahren wurde eine Grenze abgedichtet, die schon lange etwas Anderes war als nur eine "innerdeutsche". Dort standen sich Gegner gegenüber, die auf unterschiedliche Art bis zu diesem Tag mehrfach dicht an einem Weltkrieg vorbeigeschlittert waren. Ich sage das bewusst nicht wertend, ob nun auf einer Seite die Guten und auf der anderen die bösen gestanden haben. Die Floskel vom "eisernen Vorhang" stammt nicht von Ulbricht, ja nicht einmal von Stalin. Wer also das Ereignis "Mauerbau"  wertend betrachtet, muss mit einem Gedanken beginnen: diese Grenzbefestigung war ein Zeichen weltpolitischen Realismusses. Es wurde sichtbar aufgezeichnet: Ihr kommt hier nicht weiter - wir auch nicht. Im Sinne menschlich familiär mag das zynisch klingen, aber ein klareres Zeichen für Frieden konnte es nicht geben. Wäre die israelische Mauer in der Form vergleichbar und nicht eine praktische Zerstückelung für sich kaum lebensfähiger "Bantustans" und auf einem Gebiet errichtet, das auf beiden Seiten nach internationalen Standards NICHT zu Israel gehört, wäre auch das ein Schlussstrich, von dem aus man friedlich nebeneinander existieren könnte.
Ich beziehe mich hier auf meinen Missgriff, im ND vom vergangenen Donnerstag gelesen zu haben. Die gewählte Überschrift

»Ohne Alternative« und »Symbol des Scheiterns«

  suggeriert bereits die Selbstverständlichkeit einer negativen Bewertung - und das in einer angeblich "linken" Publikation. Darin sei man sich trotz dreier Papiere eigentlich einig.
Ja, es ist richtig. Diese Grenze war etwas Negatives. Allerdings in einer Art, die JEDE Grenze in sich birgt. Dabei ist es gleichgültig, ob Hauptzweck der Grenzbefestigungen ist, Menschen nicht heraus oder nicht herein zu lassen. Wer beanstandet, dass die DDR ihre Grenze befestigt hat, verliert damit die Berechtigung, andere Grenzen zu verteidigen. So sind dank "frontex" in der noch relativ kurzen Zeit des Bestehens dieses "europäischen" Systems zur Verhinderung von "illegalen" Flüchtlingen übers Wasser bereits mehr Menschen jämmerlich krepiert als in der Gesamtzeit des Bestehens der DDR-Grenze, wenn wir die Morde an Grenzsoldaten als "Mauertote" mitrechnen.  Die Hasenjagdten an der mexikanisch-US-amerikanischen Grenze eignen sich noch weniger als Vergleich. Aber ich erlaube mir, jeden Latino, der sich in der Hoffnung auf eine Versorgung seiner Familie auf den Weg macht, als "Menschen" zu betrachten, und wenn er beim Versuch, Grenzsicherungen illegal zu überwinden, als "Opfer". Wertfrei logische Konsequenz: Jede Grenzsicherungsanlage ist ein "Symbol des Scheiterns".
Schlimm an einer linken Betrachtung des deutschen "Mauerbaus" ist, wenn das wirklich besonders Üble daran bewusst oder unbewusst unterschlagen wird. Dazu müsste aber erst einmal eingeräumt werden, was an dieser Einrichtung in die damalige Zukunft gerichtet positiv war: Die Befestigung der Grenzen zwischen den Einflussbereichen zweier gegensätzlicher Gesellschaftssysteme war ... nein, wäre eine Chance gewesen, ungestörter die Vorzüge des eigenen Systems auszubauen. An dieser Aufgabe ist "die DDR-Führung" insgesamt gescheitert. Aus der Sicht heraus darf man mit den Mauerbauern hadern. Während in einigen wenigen folgenden Ulbricht-Jahren noch eine Konsolidierung der eigenen Wirtschaft erreicht wurde, hatte man bereits in den 70er Jahren das große Schwarze-Peter-Spiel verloren. Wer sich von Staats wegen derart verblöden lässt wie die "Ostblock"-Staaten in den Helsinki-Verhandlungen, dem ist kaum zu helfen.  Die aber sind in ihrer Komplexität nicht vom "Mauerbau" zu trennen. Der darin enthaltene "Menschenrechts"-Korb räumt dem kapitalistischen Westen das Monopol auf die Verteidigung der "Menschenrechte" der Bürger der eben nicht sozialistischen Länder ein. Die dabei eingenommene defensive Haltung bzw. die Illusion, kapitalistische Staaten zum Aufbau des eigenen "Sozialismus" nutzen zu können, ebnete allmählich den Weg in den eigenen Keller.
Natürlich ist auch das immer eingebettet in die Weltpolitikentwicklung zu sehen. Aber es gibt natürlich ein Indiz, das selten trügt, wenn man wissen will, ob man gerade etwas richtig oder falsch gemacht hat: Wenn der Gegner wütet, hat man wohl einen Punkt gewonnen, wird man vom Gegner aber gelobt, sollte man überlegen, was man falsch gemacht hat.
Allein, dass alle menschlichen Bürden, die manchen Familien durch "die Mauer" auferlegt worden sind, letztlich umsonst waren und die Deutsche Bank mit ihresgleichen nun wieder auf beiden Seiten dieses Grenzwerks herrscht, sollte einem mitfühlenden Linken Schmerzen bereiten.

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