Freitag, 5. August 2011

Gedanken zum Wachstum und seinen Grenzen

Es ist der jW zu danken, dass sie immer wieder linke Debatten befördert.Und es gehört schon Mut dazu, einen Artikel wie den von Lukas Zeise in eine Tageszeitung abzudrucken. Das macht es nicht leichter, auf einen solchen Artikel zu antworten, wenn man nur auf den Text antworten kann, der einem vorliegt.
Die Fragen des wirtschaftlichen Wachstums sind allerdings komplexer, als sie in dem Text behandelt werden ... und komplexer, als ich es hier behandeln kann.
Erst einmal wird durch die meisten Propheten des Endes des Wachstums und der Beschränkungen, die wir uns deshalb aufzuerlegen hätten, ein technisches Problem ausgeklammert. Sie alle extrapolieren vorhandene Entwicklungen von vorhandenen Strukturen. Das bedeutete aber, dass unsere heutige Welt außerhalb der Städte von Schafweiden eingekreist sein müsste.
Unverständlich??? Betrachten wir doch den "Fortschritt" mit den Augen des Engländers aus der Zeit der sich entfaltenden Webstühle! Regional steuerte er eine ökologische Katastrophe an. So viele Menschen wollten, sollten, konnten mit den neuen Stoffen versorgt werden. Sie wurden es natürlich nur in dem Umfang, in dem sie die Stoffe auch bezahlen konnten. Wichtiger aber ist, dass wir heute wissen, dass sich die Struktur der Bekleidungswirtschaft entscheidend verändert hat, das die Gewebe von damals längst ihre Bedeutung verloren haben.
"Fortschritt" heißt also auch qualitativer Fortschritt. Bei der Energiegewinnung kann dieser Fortschritt zwei Richtungen haben: Es werden Technologien gefunden, die aus zigfach ergiebigen Quellen zapfen - Kernfusion könnte da ein Stichwort sein. Oder es entstehen geschlossene Kreisläufe regenerierbarer Energien. Vorstellbar sind auch "Mitteldinger" wie die Nutzung geothermischer Energie.
Insofern sind der Menschheit als Ganzes keine Fortschrittsgrenzen gesetzt. Andererseits stößt man auf eine Ebene immer wieder neu auf unüberwindliche Grenzen. So ist die Landfläche der Erde begrenzt und kann in der Nutzung in einer Art schon heute nur noch durch Verminderung der Nutzung in einer anderen "vergrößert" werden.  Der aktuelle Fall ist der Anbau von Energiepflanzen zu Lasten der menschlichen Ernährung in weniger wehrhaften Gemeinschaften.
Hier tritt dann die Frage des technischen Fortschritts immer mehr hinter dem gesellschaftlichen zurück. Schon heute wäre es weltweit sinnvoll, eine Planung der detailliert bekannten Ressourcen und ihrer Reproduktion über lange Zeiträume aufzustellen und ihr entsprechend zu handeln. Noch schlimmer sind die Fälle, in denen keine Reproduktion absehbar ist.
Unter solchem Gesichtspunkt sind Studien, die durch eine Bundeswehr, also eine auf militärische Lösung von Konflikten ausgerichtete Einrichtung, Grund zum Grausen: Sie verzerren die Frage der sinnvollsten Nutzung der Weltressourcen zur Frage der absoluten Verfügbarkeit für einen der Handelnden im Weltgeschehen. Es verschiebt die Weltsicht: Man "gewinnt" Ressourcen, indem man anderen welche wegnimmt. Das wäre schon schlimm genug. Geradezu furchtbar wird das Ganze allerdings dadurch, dass Kriege - egal ob heiß geführt oder latent als Rüstung und Drohpotential - selbst Ressourcen zerstören. Also nicht nur, dass der Stärkere zu Lasten des Schwächeren stärker wird, nein, von der Gesamtsumme verbrauchbarer Ressourcen wird zur potentiellen Machterhaltung unterschiedlich viel verbraucht. Ein "strategisches" Denken in Händen einzelner Kapitalvertreter beschleunigt also langfristig den Verfall sogar, zu dessen Verhinderung die kapitalistisch Handelnden angetreten sind.
Lukas Zeise hat ja Recht: Wenn die im Marxschen Sinne Ausgebeuteten in Deutschland daran gewöhnt werden, dass die extensivere und intensivere Ausbeutung durch Senkung ihres Lebensniveaus ein NATÜRLICHER Vorgang sei, dann ist dies reaktionär. Der Mechanismus produziert aber auch schon seine Grenzen selbst: Das "deutsche" Kapital kann sich nur weiter draußen ausdehnen, solange dort "Nachholebedarf" besteht. Innerhalb kapitalistischer Warenwirtschaftsgrenzen ist Wachstum zur Profitrealisierung unumgänglich.  Denn die produzierten Waren müssen irgendwo verkauft werden, damit sie Profit erbringen.
Linke geraten dabei in eine Rolle der relativen Lächerlichkeit: Das wirtschaftliche System kapitalistischer Marktwirtschaft steuert real (!!!) seinem Totalzusammenbruch entgegen. Dieser kann die Form einer Wirtschaftskrise haben, die alles Bisherige in den Schatten stellt oder die Form eines Weltkrieges. Prinzipiell. Die Möglichkeiten der Überbrückung des Katastrophenpunktes um den Preis eines später zu erwartenden noch einschneidenderen sind aber ebenfalls so groß wie nie zuvor. Das heißt, die Linke kann mit Recht n-mal die Katastrophe voraussagen ... um u. U. beim n+1. Mal den tatsächlichen Gau zu verpassen. Zu eben diesem tatsächlichen Gau gehörte aber mindestens auch der Zusammenbruch des chinesischen Wachstumspotentials innerhalb kapitalistischer Formen.
Ich gebe ja zu, auch für Linke in Deutschland ist es schwierig, die Landes(kapital)brille abzusetzen und "weltweit" zu denken. Die Zeit, seit der dies möglich wäre, hat ja gerade erst begonnen. Die Diskussion, dass dies notwendig ist, muss Element eine linken "Wachstumstheorie" sein. Diese wiederum muss einschließen, um wie viel menschlicher und rationeller das Weltpotential an Arbeitsvermögen unter kommunistischen Verhältnissen genutzt werden könnte, was wiederum - um zum Ausgangspunkt zurückzukommen - auch die natürlichen Sachressourcen der Erde schonen würde ...

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