Sonntag, 11. Dezember 2011

Wie ich trotz und wegen der DDR zu meinem ganz individuellen Kommunismus fand (1)

Einleitung und Kindheit (1)


„Kommunismus“ ... ganz individuell? Am Ende sogar „individualistisch“?
Ja, genau das ist meine Ansicht, dass er so sein wird. Es soll hier nichts abgehandelt werden, was nur Philosophieprofessoren verstehen können, sondern es geht um das Denken echter „Normalos“. Sollten sich bei mir irgendwo „Wissenschaften“ eingeschlichen haben, so verzeihe man mir das Fremdgehen. Ich bin nur ein „Künstler“ - eine Bezeichnung, die nicht geschützt ist, sodass sich jeder Mensch damit schmücken kann - also auch ich. Als solcher gebe ich zu: Ich bin Individualist. Hielte ich „Kommunismus“ für eine verordnete Gleichmacherei im Sinne einer Kollektivierung, wäre er keine für mich wünschenswerte Zukunftsvorstellung. Für Massenparaden vorbei an einem Großen Vorsitzenden bin ich nicht gemacht. Ich habe meine eigene Sicht darauf, was „vernünftig“ ist. Die muss man nicht teilen. Aber schon als penetrant aufdringlicher Schüler konnte ich es mir schon früher nicht verkneifen, dazwischenzurufen und den Finger vor lauter Fragen oben zu behalten. Warum sollte ich es dann heute unterlassen, provokatorische Fragen in den Raum zu stellen? Vielleicht hilft es der Fantasie Anderer auf die Sprünge … Sagen wir einem … oder zwei Anderen … oder …

Keine Ahnung, wie ich geworden wäre, wäre meine Familie nicht im Frühjahr vor Abschluss der ersten Klasse in die Stadt gezogen. Zuvor war ich als Außenseiter regelmäßig verprügelt worden. Das wichtigste Gefühl meinen potentiellen künftigen Mitschülern gegenüber war am Anfang deshalb nackte Angst. Um keinen Preis wollte ich aber wieder so isoliert bleiben wie zuvor.
Die Rolle des Chefs war vergeben, die des Klassenkaspers frei, und wenigstens in den folgenden drei Jahren füllte ich sie fantasievoll aus. Den Unterricht zu stören fiel mir nicht schwer und die dümmsten Kinderwitze verwandelten sich in meinem Mund in lange Geschichten. Die Rolle hatte mehrere „Vorteile“: Man schenkte mir Aufmerksamkeit und beim großen Mitschülermobbing konnte ich zusehen. Das Hauptopfer war über viele Monate ein Mädchen, das durch ihren Geruch und ihre staksigen Bewegungen auffiel und das Hinundherschubsen dadurch vergnüglicher machte, dass sie so herrlich Angst zeigte und „Was hab ich euch getan?“ oder „Lasst mich doch in Ruhe!“ jaulte. Dem Zugriff der Lehrer entzog sich der Terror dadurch, dass „Erdnuss“ erst nach Unterrichtsschluss und draußen vor dem Schulgebäude gequält wurde. Der Hofausgang lag neben der Haupttür, sodass sie nicht ungesehen die Schule verlassen konnte – und immer waren welche vor ihr da, um die sich dann die anderen Wartenden sammelten.
Zuerst war es so etwas wie ein Triumph, als das Mädchen aus der Schule genommen wurde und in einer „Hilfsschule“ bis zu Klasse 6 kam. Dann aber … Es hätte natürlich niemand zugegeben, aber im Unterbewusstsein einiger Mitschüler wuchs doch das Gefühl, dass wir das Leben eines Menschen zerstört hatten, der uns wirklich nichts getan hatte. Und in meinem erwachte das dauernd schlechte Gewissen, dass ich lachend dabei gestanden hatte.
Mit dem Verschwinden des „Standardopfers“, an dem sich meine Mitschüler ihren Schulfrust abreagiert hatten, begann die Suche nach neuen. Wir waren eine Klasse mit Jungen-Überschuss und die körperlich stärkeren begannen nun die Jagd auf Schwächere. Damit geriet auch ich wieder ins Visier. Allerdings hatte sich die Situation innerhalb der Klasse verändert. Es waren nicht nur gelegentlich ein paar Kinder in meiner Nähe, um meine Blödeleien zu hören, sondern ich hatte einen Kreis von kindlichen Partnerschaften: Einen Freund, der an mir hing wie Watson an Holmes, und noch ein paar Andere, durch die ich mich als Bandenchef fühlte. Ausnahmslos umgaben mich aber nur körperlich Schwache. Die gegenseitige Hilfe bestand unter anderem darin, dass ich bei den Hausaufgaben half und dafür meine Kunst-Werke für den Zeichenunterricht vorbereitet bekam, sodass Vieren in Zeichnen nun selten wurde. Meine logische Lektion: Andere konnten etwas, was ich nicht konnte, und umgekehrt. Wenn dies auch offiziell nicht erwünscht war, eigentlich sogar als Betrug bewertet wurde, so stand doch fest, dass die gegenseitige Nutzung unserer Stärken für alle Beteiligten Vorteile brachte. Es machte mir dabei wenig aus, dass ich mehr einbrachte, als ich herausholen konnte.




Dies ist ein biografischer Text, den ich geschrieben hatte, um ihn eventuell in einem Buch zu meinen Vorstellungen zu veröffentlichen. An dieser Stelle präsentiere ich ihn unabhängig davon, ob er je Eingang in ein Buch finden wird. Der Länge wegen teile ich ihn auf. Der vollständige Text findet sich hier.

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