Dienstag, 26. Juli 2011

Zur Individualität heute und im Kommunismus (1)

Nehmen wir an, jemand sagt, Individualität ist, dass ich mir mit meinem Geld kaufen kann, was ich will. Dann wäre die logische Konsequenz, dass es im Kommunismus schon allein deshalb keine Individualität geben kann, weil es ja kein Geld gibt, man sich also gar nichts kaufen kann (zu kaufen braucht).
Damit wäre ich schon beim nächsten Problem: Marx war Logiker UND Optimist (sofern sich das eine mit dem anderen vereinbaren lässt). Er stellte sich eine einheitliche kommunistische Gesellschaftsordnung als geschichtliche Periode vor, in der es eine Übergangsperiode Sozialismus gibt (die relativ komplikationslos in die höhere Phase „Kommunismus“ hinüberwächst. Wir müssen aber einsehen, dass es sogar drei Phasen gibt, die durch unterschiedlich strenge Abgrenzungen voneinander zu trennen sind: Eine Übergangsphase, in der es auf der Erde Kapitalismus und Möchtegern-Sozialismus (mit Staatsmacht) nebeneinander gibt, danach den Marxschen Sozialismus und dann erst, und zwar nach etwas, was ich eine weitere „Revolution“ nennen würde, den tatsächlichen „Kommunismus“. Nur den möchte ich im Folgenden als „Kommunismus“ verstanden wissen. Russischer Kriegskommunismus, kambodschanischer Steinzeit“kommunismus“, chinesische Kulturrevolution und was es sonst noch an perversen Missverständnissen gegeben hat (und evtl. sogar noch geben wird), gehören nicht zu dem Begriff. Sie belegen in erster Linie den Versuchscharakter der ersten Übergangsphase. Wenn man etwas anfängt, wofür es noch keine „durchgespielte“ Erfahrungen gibt, macht man eben Fehler der Jugend. Allerdings wenn sie einmal gemacht sind, kann man sie auswerten, um sie beim nächsten Anlauf zu vermeiden. Der Egoismus des Kapitalismus ist aber wesenseigene Bedingung für die Art des Funktionierens der Gesellschaft.
Für mich ist der Begriff der „Individualität“ am engsten mit dem Begriff der Bedürfnisbefriedigung verknüpft. Je größer die Zahl unterschiedlicher Bedürfnisse ist bzw. ihre jeweilige Ausprägung, umso individueller ist „der Mensch“ unter den jeweiligen Bedingungen. Wie viele Bedürfnisse ein Mensch überhaupt ausprägen kann, hängt von mehreren Faktoren ab. Der wichtigste: Sind überhaupt seine Grundbedürfnisse befriedigt. Hungernd und dürstend ist schlecht Kunst zu treiben – egal ob als Künstler oder als Kunstgenießer; frierend achtet man (vorsichtig ausgedrückt) weniger darauf, ob eine Decke oder ein Kleidungsstück schön gestaltet ist, wenn sie denn nur wärmen.
Wer dies anerkennt, muss auch einsehen, dass es bisher noch keinen Kapitalismus gegeben hat, (und ich meine, dass es auch keinen geben wird), in dem nicht die vollständige Befriedigung der Grundbedürfnisse einer Gruppe aus der Nichtbefriedigung durch eine andere Gruppe fußte. Das meine ich nur als „Klassenfrage“, sondern als Prinzip. Dass es „den Deutschen“ durchschnittlich „gut“ geht – und zwar auch noch den „Unterschichten“ „verdanken“ sie grenzbarbarischen Verhältnissen in früher Kolonien, jetzt Entwicklungs-, Dritt-, Viertwelt- oder ähnlich benannten Ländern.
Ich würde jeden bitten, etwas „in sich zu gehen“, sollte er sich auf seine Individualität in seinem Kapitalismus etwas einbilden, wenn er sie dem biologischen Zufall, als Deutsche geboren zu sein verdankt und nur durch den zwangsweisen Verzicht auf alle „Individualität“ bei einen asiatischen Kind „geschenkt“ wurde, damit er ein ungerechtes System zu verteidigen bereit ist.
Die „Individualität“ der Bürger des alten Griechenlands war in diesem Sinne wahrscheinlich noch höher – aber eben errichtet auf Totalentzug aller „Individualität“ einer etwa zehnfachen Zahl von Nicht-Bürgern, also Sklaven.
Alles, was wir über „Kommunismus“ sagen können, steht unter dem Vorzeichen, dass die „Individualität“ der einen Menschen eben nicht andere (notwendig) von ihrer Beschneidung bei anderen abhängt, dass sie vom Prinzip jedem einzelnen zusteht.

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