Donnerstag, 10. Februar 2011

Meine Bergpredigt zur Friedenslesung 2011: Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg

Unschuldsblick
Ich
habe noch nie
einen menschen getötet
versichert das auge
das gut geübt
den feind
anvisiert
dem finger

immer
bist du es
der abdrückt“1

Genau da liegt der mit Schrotkugeln durchsiebte Hase im Pfeffer: Es gibt viele Möglichkeiten, mitschuldig zu werden an den Grauen von Kriegen. Die einfachste ist es, nichts dagegen zu tun.
Nun hat nicht jeder dieselben Möglichkeiten, aktiv unmittelbar an der Verhinderung von Weltkatastrophen mitzuwirken. Persönlich waren für mich die wichtigsten Pazifisten des 20. Jahrhunderts die Interbrigadisten in Spanien und Klaus Fuchs. Erstere, weil sie im Wissen um die den Zusammenhang von Faschismus und Krieg genau an der Stelle freiwillig tätig wurden, wo mit einem gescheiterten Probelauf die potentiellen Weltkrieger in ihrem Größenwahn vielleicht noch hätten gebremst werden können, der Andere, weil er mit seinem Verrat des Atombombengeheimnisses wahrscheinlich den sich von Korea ausbreitenden 3. Weltkrieg verhindert haben könnte.
Nachher zu spekulieren steht der Kunst zu – der und den Stammtischgesprächen. Aber dass die Vereinigten Staaten nicht zögerlich waren, ihr A-Waffenmonopol auch einzusetzen, ist unbestritten und dass es keine heißen sowjetischen Atombomben waren, die den Vietnamkrieg entschieden oder in einem anderen eingesetzt wurden, auch.
Kunst kann aber und muss auch an die Vernunft appellieren – über den Umweg des Gefühls … selbst, wenn das wie ein Widerspruch aussieht.
Kunst darf zum Beispiel fragen, wie viele Menschheitsprobleme gelöst wären OHNE die enormen Vergeudungen von Menschenleistungen und Naturressourcen durch all die vergangenen Kriege und die gegenwärtigen Rüstungen weltweit. Niemand brauchte – nur so als Beispiel – über „Asylantenproblem“ / „Wirtschaftsflüchtlinge“ usw. nachdenken, wäre nicht auch Deutschland begeistert, für gutes Geld Spitzenrüstungsgüter im Tausch gegen Rohstoffe zu exportieren, anstatt dass in den armen Ländern diese Erde die Lebensbedingungen der Menschen nachhaltig verbessert würden, wonach niemand einen Grund hätte, zum hoffnungslosen „Terroristen“ zu werden.
Haben wir nicht Probleme genug auf der Erde, für die unsere begrenzten Mittel gut einzusetzen wären? Mir fallen mehr ein als ich auf einmal aufschreiben könnte. Nur so als gefühllose Schlagwörter in den Raum geworfen: Umweltzerstörung, Hunger, Krankheiten, Unmenschlichkeiten aller Art.
Zumindest kann die Kunst malen: Das Leben könnte so schön sein – unbedroht. Und die Kunst kann sagen „So nicht!“ und versuchen zu sagen „So!“, wobei dieses SO so viele Formen haben kann: Es kann ein geistiges Gericht sein über all die Schädlinge an der Menschlichkeit, denen die Möglichkeit entzogen werden muss, jemals wieder am Leid anderer Menschen zu verdienen. Es kann die Geburt einer allgegenwärtigen Moral sein, die jedem Menschen sein Anderssein zubilligt als Grundsatz unter Gleichen, die sich nicht über Andere erheben. Es kann einfach eine urchristliche Ehrfurcht vor den Schönheiten der Schöpfung sein.
Schönheit lässt sich in so vielem entdecken. All dies ist FRIEDEN. Und der Nachbar ist anders als ich. Achte ich ihn? Überwinde ich meine Angst vor dem Fremden, das ich noch nicht verstehe? Habe ich genug getan, um diesen Jungen von nebenan davon abzuhalten, sein Geld damit zu „verdienen“, dass er „unsere“ (meine nicht) Vorstellungen von Kultur (das Raffen von einigen Wenigen) in fremde Länder trägt, um einmal – sollte er lebend wiederkommen – als Zombie, von Menschlichkeit entkernt, sein ganzes Restleben lang leugnen zu müssen, dass er ein „Feind“ (Mörder, Verbrecher, Mitmacher) im fremden Land geworden war?
Nur wer seinen Teil dazu beigetragen hat, diese Welt menschlich zu gestalten, kann sich frei sprechen von Mitschuld. Und die mit dem Wort hantieren sind vom Schicksal geschlagen: Die müssen es auch richtig gebrauchen ...

Deutschland, der Rentnerstaat, oder Ägypten ist woanders …

Als Wladimir Iljitsch den Ausdruck „Rentnerstaat“ gebrauchte meinte er etwas Anderes als die geistige FDP heute, die irgendwie moderne Gaskammern für alle Leute wünschte, damit nicht Greise verfressen, das Leistungsträger von der Kreativität der Zumwinkels, Ackermanns, Riesters oder Mehdorns an deutschem Kapital noch vermehren könnten. Er, also der Lenin, stellte fest, dass es unter den Bedingungen des herangereiften Imperialismus ganze Staaten gibt, die ihren Reichtum auf der Ausbeutung anderer aufbauen können. Was den Bewohnern als besonderer eigener Fleiß oder Ähnliches vorkommen mag, ist letztlich eine aus dauerhafter wirtschaftlicher (monopolistischer) Überlegenheit erwachsene „Rente“, von der ein paar Krümel in die eigene Massen verstreut werden.
Das bescheuerte Schicksal von Möchtegern-Revolutionären /-Kommunisten in Deutschland ist eben, dass das nachfaschistische Deutschland eben als potentielle Speerspitze gegen die drohende Gefahr einer gemeinschaftsorientierten Gesellschaft aus dem Osten erneut zu einem solchen Rentnerstaat aufgebaut worden ist. Wenn wir den Revolutionstheoretiker ernst nehmen – und es gibt zu wenige Gründe, dies nicht zu tun – dann leben wir hier in einem jene Staaten der Erde, den der gesellschaftliche Fortschritt am spätesten erreichen wird.
Auf der einen Seite müssen wir nicht nur, wir können vielleicht sogar auf Andere hoffen. Wie Lenin untersuchte, reißt eben die Kette der Macht an ihrer schwächsten Stelle, dort, wo die Widersprüche am schärfsten sind. Insofern sollte uns die Entwicklung in Ägypten nicht zu sehr überraschen. Dort sammelten sich besonders viele Gründe an für Empörung. Zu befürchten ist allerdings, dass die dortige „revolutionäre Situation“ nicht zum großen gesellschaftlichen Fortschritt führen wird. Zu wenig ist erkennbar, dass es eine politisch (und meinetwegen auch organisatorisch) führende Kraft gibt, die ein umfassendes antiimperialistisches Konzept zur Umsetzung vorlegen könnte. Zu groß ist demzufolge die Gefahr, dass die wirtschaftlichen Dampfwalzen dieser aufgeteilten Welt ihre „marktwirtschaftlichen“ Ideen der für sie „freien“ „Demokratie“ der inneren Bewegung aufdrängen oder dass sich neue „Jungtürken“ mit oder ohne religiösen Weltbildern an die Spitze drängen können.
Das Spannende am Konzept einer materialistischen Geschichtskonzeption ist aber gerade, dass sich nicht mathematisch determinierbar voraussagt, wann wie wo die erfolgreiche Revolution zur letztlich kommunistischen Gemeinschaft ausbricht, sondern nur deren Sinnhaftigkeit begründet.
1Aus Slov ant Gali „worträume“ edition petit Potsdam

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