Sonntag, 20. Februar 2011

Von der Geradlinigkeit des Denkens (1)


Mein, also Herbert Driebes, Geschichtsseminar hat gestern begonnen. Zum Aufwärmen waren noch „Meinungen“ erlaubt – also das, was jeder so mitbringt, ohne zu wissen. Dann kam der Film „Die alte neue Welt“ von den Thorndikes in der DDR in den 70er gedreht.
Die Wertung von Herrn Driebe „Das stimmt so alles“. Das macht die Sache spannend. Weil es eben die Frage der Wahrheit aufwirft als praktisch agitatorisches und als philosophisches Problem. Denn aus heutiger (aber auch aus damaliger) Sicht sind einige Stellen peinliche Propaganda.
Aber …
60 Prozent des Films stimmen in einem Sinn, dass man die Passagen ohne Bearbeitung von Text und Bildern immer noch als „aktuell und zutreffend“ charakterisieren kann.
Dann kommen Stücke vor, die von ihrem prinzipiellen Gehalt stimmen, aber eben von neuen Zahlen überholt worden sind. Das betrifft in erster Linie tatsächlich verwendete zur Zeit des Drehs aktuelle Zahlen. Es leben im Moment eben ein paar mehr als vier Milliarden Menschen auf der Erde. Ich fürchte, dass das dabei zustande kommende Verhältnis, wie viele darunter in echter Armut, also bedroht von tatsächlichem Hungertod, leben müssen, sich noch verschlechtert hat.
Als Krümelkacker interessieren mich aber ausgerechnet die wenigen Prozente besonders, in denen mit oder ohne Absicht vereinfacht wurde.
Dabei geht es um ein Prinzip, das der Genosse Driebe in seinem Buch über die Globalisierung überzeugend dargelegt hat: (Herbert Driebe „Globalisierung – imperiale Tragödie in neuem Outfit“) Es ist schon vorher etwas da – es hatte nur noch nicht die durchgreifenden Folgen und die umfassende Bedeutung.
Ein Beispiel ist die Sicht auf die Revolution der Produktivkräfte vor 300 Jahren. Im Prinzip ist sie richtig. Mit der sich über Manufakturen herausbildenden Maschinerie entstand ein gesellschaftlich völlig neues Verhältnis zur Arbeit – aber nur, wenn man es als Ganzes und von seine Bedeutung her sieht. Der Film erweckte jedoch den Eindruck, als sei es geschichtlich völlig neu, als wäre die Rolle vergegenständlichter Arbeit als Beziehung des Einzelnen neu. Es klang sogar konkret an, dass zuvor die Arbeitenden alle Schritte ihrer Produktfertigung, also auch ihre Werkzeuge selbst gemacht hätten. Jeder Schmied, jeder Handwerker produzierte natürlich vorher schon etwas, was im Folgenden Halbfertikat oder Werkzeug war. So neu war „nur“ die extreme Zerstückelung von einheitlichen Prozessen in ihre Teilschritte – wodurch dann (und das sagt und meint der Film dann wieder genau) der Arbeitende keinen Bezug mehr zu seinem Erzeugnis haben kann, er nur noch Anhängsel der bereits per Maschine vergegenständlichten Arbeit … letztlich also des Kapitals wird.

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