Freitag, 24. Juni 2011

Mein ganz individueller Kommunismus (83)

Die Stagnation des europäischen Bevölkerungswachstums sollte nicht zu voreiligen Schlüssen verleiten. Ich klammere einfach einmal utopische Fortpflanzungstechnologien aus. Kinder sind im Kommunismus nur noch im Dreieck von Liebe, Verantwortung und „Luxus“ zu sehen. Nichts wird von Natur aus so eindeutig Individualität ausdrücken wie die eigenen Kinder.
Wenn wir unterstellen, dass die frühkommunistische Gemeinschaft nicht für sehr lange Zeiträume an ökologischen Katastrophen zu leiden hat (z. B. massenweisen genetischen Schädigungen durch radioaktive und andere Umweltbelastungen, also dass der Untergang der kapitalistischen Verhältnisse „weich“ gelingt), kommt relativ früh zur Kinderfrage die der bald hinzugewonnenen weiteren „Senioren-Generationen“. Während eine bewusste Manipulation der Kinderzahlentwicklung in beide Richtungen vorstellbar ist – also Einwirkungen „Schafft euch mehr oder schafft euch weniger Kinder an“ – kann die gesellschaftliche Mühe beim Umgang mit älteren Menschen nur in eine Richtung gehen: weg mit Krankheiten und Verfall. Da ist auch Erfolg wahrscheinlich: Die lebenden Menschen werden älter und sind länger zu umfassender Aktivität fähig. Bei gleicher Kinderzahl bedeutete dies ein deutliches Wachstum der Weltbevölkerung.
Dies macht natürlich unter anderem den Weg freier zu größerer Vielfalt der Lebensentwürfe, also auch zu solchen, in denen „egoistischerweise“ keine Kinder vorkommen bzw. „man“ sich (dann) in angenehmem Umfang um biologisch fremde Kinder kümmert.
Spaß haben nur um an einem Moment Spaß gehabt zu haben, lässt die Betroffenen verkümmern. Je mehr man bereits als Kind gelernt hat, was man alles tun könnte, umso mehr wird man in seinem langen Leben auch wirklich tun wollen. Als eines von vielem gehört die „Kommunikation“ mit Kindern dazu. Wie gesagt: unabhängig von biologischen Beziehungen werden Kinder eine Vielzahl von Partnerschaften erleben, die mit „Großeltern“ und guten Tanten und Onkeln vergleichbar sind.
Die Entfaltung des Bedürfnisreichtums der neu heranwachsenden Menschen bekommt einen total neuen Stellenwert, sobald er nicht, zumindest in jedem Einzelfall nicht, existenzielle Probleme heraufbeschwört. Bei allen Problemen, die Kinder auch bedeuten, eines ist plötzlich weg: Wie soll ich die versorgen / müssen die mich versorgen. Die Frage steht allein im großen Bezug. Also überspitzt: Wenn jede Familie 10 Kinder bekäme, bleibt dann genug Sauerstoff zum Atmen.
Die Kinder sind einer der wenigen verbleibenden Zwänge. Wer auch immer Bezugspersonen sein mögen, es müssen welche da sein. Das können biologische Eltern genauso gut sein wie Wahleltern, eine Mehrpartnergemeinschaft und anderes. Nur stabil müssen diese Beziehungen sein.
Ich beiße mich hier mit dem konventionellen Familienbild, das z. B. ein Friedrich Engels vertrat. Vielleicht wird es im Kommunismus auch etwas geben, das den Namen „Familie“ tragen kann. Aber selbst dabei ist eine Mann-Frau-Beziehung mit dazu gehörigen Kindern nur eine der Formen. Je nach Neigung der Individuen stehen zumindest gleichgeschlechtliche Beziehungen „rechtlich“ gleich – vor allem allerdings faktisch.
Inwieweit „Wohn- und Lebensgemeinschaften“ eine große Rolle spielen werden, ist von unserem Horizont aus schwer zu bewerten. Wahrscheinlich in einer neuen Zweckgemeinschaft von Individuen.

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