Sonntag, 12. Dezember 2010

Wikileaks und die Philosophie der Wahrheit (2)

Das Problem ist also mehrschichtig.
Wikileaks ist weder Wahrheit noch Meinungsfreiheit an sich - das, was daraus ausgewählt wird, noch viel weniger. Aber "Meinungsfreiheit" setzt natürlich voraus, dass die Meinungsfreien zuvor eine fundierte Meinung hatten bilden können. Da stoßen wir an das Problem der "Freiheit" als "Einsicht in die Notwendigkeit", entsprechend frei handeln zu können und auch zu handeln. Je weniger ich weiß, umso weniger verstehe ich ... und umso weniger wahrscheinlich kann ich vernünftig handeln. Insofern kann bürgerliche Freiheit im Sinne von "machen können, was ich will" eine Perversion aus: Wahre Freiheit bedeutet gerade, so "ethisch gebildet" zu sein, bewusst freiwillig nicht das zu tun, was anderen schadet.
Nun entsteht "Freiheit" aber nicht im ln Raum und Wissen stößt immer an Grenzen. Hier meine ich nicht nur die Grenze der unerreichbaren Unendlichkeit, sondern auch die Grenze der Aufnahmefähigkeit des Einzelnen. Keinem Menschen ist zuzumuten, sich alles Detailwissen anzueignen, das ihm vom Prinzip zugängig ist. Also richtig: "Freier Zugang zu Informationen" im Sinne von (beispielsweise) Wikileaks ist eine Grundlage zukünftiger Menschheit. Sie ersetzt aber nicht das Vertrauen, dass wir eigentlich denjenigen entgegenbringen müssten, die uns den erschlagenden Wust unbewältigbarer Masseninfos auf Mundgerechtes herunterbrechen. Massen- und andere "Medien".
Solange diese aber in einem Gestrüpp finanzieller Interessen, die - egal wie offen - Abhängigkeiten von wirtschaftlich Mächtigen sind, ist dieses Vertrauen nicht zu rechtfertigen. Da werden neben ein Gutachten gleich drei andere unabhängig wirkende (auf Umwegen finanzierte) erstellt und wir Normale bekommen dann die "Freiheit" der Entscheidung: Sucht euch was aus, da wird drüber diskutiert. Jeder Journalist beeinflusst uns da schon allein durch seine Auswahl. Wir müssen ihm nicht einmal böse Lüge unterstellen. Es reicht die Schere im Kopf, "So kannst du das nicht sagen, sonst ..."
Also verteidigen wir Wikileaks als einen Baustein künftiger Freiheit, aber überhöhen wir nicht seine Bedeutung, solange ALLES der Aufbereitung zur Ware unterworfen ist.
(Die Geschichte des "Realsozialismus" zeigt, dass diese Unterwerfung selbst dann wirkt, wenn man sich ihr zu entziehen sucht - solange das kapitalistische "System" als Ganzes stark genug ist ...)

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