Samstag, 8. Januar 2011

In der DDR gab es mehr "sozialistische Persönlichkeiten" als es den Anschein hatte und noch viel mehr als wir heute unterstellen (2)

So ergab sich die Notwendigkeit, dass ich besonders oft jene „Brigade“ aufsuchen musste, die im Lager diese Teile zu verwalten bzw. zur Fertigung zu schaffen hatte. Dort lernte ich ganz pragmatische Arbeitseinstellungen kennen: Gearbeitet wird, wenn sich´s lohnt. Im Wesentlichen passierte deshalb in den ersten beiden Dekaden jedes Monats so gut wie gar nichts. Meist waren die geplanten Pumpen und Motoren sowieso noch nicht da. Warum hätte man die Fertigung mit den dann doch nicht benötigten Kleinteilen belästigen sollen? Wo dann ja sowieso neue Pläne kämen, nach denen dann andere Kleinteile gebraucht würden? In der dritten Dekade musste jedoch der aktuelle Monatsplan erfüllt werden, also der korrigierte, und dazu wurden die Arbeiter an den Wochenenden zur Arbeit gebeten … beispielsweise mit einer Anwesenheitsprämie von 50 Mark zusätzlich zu den Wochenendzuschlägen - nur dafür, dass die Gesichter erschienen. So war Geld zu verdienen, relativ viel Geld für DDR-Verhältnisse.
Was aber herrschte in den ersten beiden Dekaden?
Zum einen Langeweile, was das Arbeiten anging. Gelegentlich wurden ein paar Teile umgelagert, aber die meiste Zeit saßen die Kollegen, die nicht etwas für sich privat zu besorgen hatten, zusammen und frühstückten von acht bis drei. Da kein Mensch so lange essen konnte, wurde getrunken.
Mein Erscheinen bildete eine willkommene Unterbrechung der Eintönigkeit. Zum einen war ein „Sesselpfurzer“ frischer Anlass zu Spott, zum zweiten konnte man jemand einen Gefallen tun (denn etwas Anderes konnte es ja wohl nicht sein, seine Arbeit mit Einsatz zu machen als ein Gefallen für einen, der einen ganz lieb darum bat) und zum dritten war es ein Geschäft: Ohne eine frische Flasche Lunikoff, den gängigen Wodka, brauchte ich nicht zu kommen. Und ein Schluck mittrinken sollte ich. Und man war ja nicht so.
Dies war der NORMALE Ritus. (Damit die abgehetzten Wessis endlich verstehen, wie locker man das Arbeitsleben nahm ... und nehmen konnte – und es fragt sich, wo waren da die zeitungsreifen „sozialistischen Persönlichkeiten“?)

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